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Archiv-Artikel

Billig wohnen mit Hartz IV

In Oberhausen zahlen 1.700 Arbeitslose zu viel Miete, sagt die Arbeitsagentur. Senken die Mieter ihre Kosten nicht, droht der Umzug. Städte wie Köln berechnen die Mietzuschüsse großzügiger

AUS OBERHAUSEN GESA SCHÖLGENS

Ingrid Diepenbrock will nicht umziehen. „Ich wehre mich dagegen“, sagt die 48-Jährige Oberhausenerin. Seit ihr Sohn ausgezogen ist, wohnt die arbeitslose Köchin allein auf 68 Quadratmetern. Laut Arbeitsagentur ist die Wohnung zu groß und zu teuer. Wie 1.700 andere Hartz-IV-Empfänger hat Ingrid Diepenbrock Post von der Arbeitsgemeinschaft der Stadt Oberhausen und der Agentur für Arbeit (SODA) bekommen. In dem Schreiben heißt es, ihr Wohnraum sei „nicht angemessen“. Für Alleinstehende seien 50 Quadratmeter ausreichend. Ab Januar 2006 will die Stadt Oberhausen pro Person nur noch eine Grundmiete von 216 Euro zahlen – für zwei Personen 270 Euro. Pro Quadratmeter kommt noch ein Euro für die Nebenkosten dazu. Bleiben die Hartz-IV-Empfänger in ihren Wohnungen, müssen sie die Differenz zur Miete von ihrem kargen Arbeitslosengeld begleichen. Die SODA schlägt vor, die Wohnkosten durch Untervermietung oder bessere Wärmedämmung zu mindern. Zudem sollten die Arbeitslosen mit ihren Vermietern verhandeln.

Nicht überall in Nordrhein-Westfalen drohen Arbeitslosen solche Einbußen. In Städten wie Köln oder Münster wird die Miete besser bezuschusst. Für Alleinwohnende in der Domstadt liegt die Mietobergrenze bei rund 300 Euro. „Allerdings wird sie in über 50 Prozent der Fälle überschritten“, sagt Sozialdezernentin Marlis Bredehorst. In der Regel übernimmt die Stadt die höheren Kosten. Umziehen müssten nur wenige, denn in Köln herrsche ein akuter Mangel an preiswerten Wohnungen. Laut Bredehorst versuchen viele Kommunen, aufgrund ihrer katastrophalen Finanzlage bei den Unterkunftskosten zu sparen. „In Münster gibt es vielleicht 50 Fälle im Jahr, die die Richtsätze überschreiten“, sagt Joachim Schiek, Sprecher der Stadt. Allerdings sei das Mietpreisniveau ähnlich wie in Köln sehr hoch. In Gelsenkirchen wird laut ARGE zur Zeit ermittelt, wieviel Hartz-IV-Empfänger zu hohe Mieten zahlen. Auch in der Bochumer ARGE werden die Kosten derzeit geprüft, so ein Sprecher. Laut Bundesrechnungshof sollen in Bochum monatlich rund 93.200 Euro zu viel an Miete gezahlt werden. Angeschrieben wurde noch keiner der ALG-II-Empfänger, so der Sprecher.

Vor dem Rathaus der Stadt Oberhausen protestierten am Montag Betroffene gegen die neuen Angemessenheitskriterien: „Rausgeschmissen wird keiner – die Mietkosten werden einfach nicht mehr in voller Höhe überwiesen“, sagt Jens Carstensen von der örtlichen Linken Liste/PDS. Politiker und Arbeitsloseninitiativen forderten, die Obergrenzen für die Mietzuschüsse noch einmal neu zu ermitteln. Recherchen hätten ergeben, dass nicht genügend billige Wohnungen vorhanden seien. Außerdem solle die SODA für sämtliche Betriebskosten aufkommen.

Arbeitsloseninitiativen kritisieren, dass die strengen Obergrenzen nicht dem Mietspiegel entsprechen. „Man hat als Grundlage einfach die Mietzuschüsse für Sozialhilfeempfänger übernommen“, sagt Claudia Leischen von der Oberhausener „Initiative für eine Montagsdemo“. Im Vergleich zu Städten wie Bottrop und Gelsenkirchen sei die angemessene Höchstmiete viel zu niedrig. Zudem wird befürchtet, dass Ballungs- und Problemsiedlungen entstehen könnten.

Der Oberhausener Sozialdezernent Reinhard Frind bezeichnete den Wohnungsmarkt in seiner Stadt als „entspannt“. Es gebe viele leer stehende Appartements. „Die Mietobergrenzen orientieren sich am Mietspiegel, und der ist erst im Mai neu berechnet worden“, so Frind. In den Bescheiden würde nicht explizit auf zu hohe Mietkosten verwiesen. Vielmehr wurden bislang mit 285 Hilfeempfängern besprochen, wie die Mietkosten zu senken sind.

Betroffene wie Ingrid Diepenbrock fühlen sich massiv unter Druck gesetzt. Sie müsse nun jeden schlechten Job annehmen, um den Eigenanteil von 120 Euro monatlich tragen zu können. „Dabei bin ich erst vor drei Jahren in eine billigere Wohnung umgezogen“, sagt Diepenbrock. Immerhin beschloss der Oberhausener Rat, die Mietobergrenzen noch einmal zu prüfen.