: Zum Verzehr nicht geeignet
Kitas, Bildung und Direktmandate: Wenig fruchtbare Wahlkampf-Endphase gestern in der Bürgerschaft
Über Geschmack lässt sich bekanntlich trefflich streiten. „Unsere richtige Politik trägt Früchte“, selbstlobte CDU-Kita-Experte Marcus Weinberg die Sozialbehörde und seine eigene Fraktion für deren „erfolgreiche“ Kita-Politik. „Fallobst“ sei das, entgegnete seine SPD-Fachkollegin Andrea Hilgers, als „Trockenobst“ gar erschien es Christiane Blömeke (GAL). Was Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) dankbar als Vorlage nutzte für ihre Aufforderung an die Opposition, „diese Stadt nicht schlechtzureden“.
Die Bildungsempfehlungen für alle Hamburger Einrichtungen der Kindertagesbetreuung, die ihre Behörde vorige Woche vorgelegt hatten (taz berichtete), sollten gestern zum veritablen Streitfall in der Aktuellen Stunde der Bürgerschaft werden. Wurden sie aber nicht.
Denn weitgehend einig sind sich alle Fraktionen darüber, dass dieser Bildungsplan an sich nicht schlecht sei. An der Umsetzung aber zweifeln SPD und GAL im gleichen Maße, wie die CDU daran glaubt. Durch Etatkürzungen und das Schwingen des „Gebührenhammers“ werde den Kitas „die Basis für eine weiterhin gute Arbeit“ entzogen, kritisierte Sozialdemokratin Hilgers. Und Kinder aus sozial benachteiligten Familien würden „ausgegrenzt“, beklagte GAL-Kollegin Blömeke: „Von gleichen Chancen unabhängig vom Geldbeutel der Eltern kann keine Rede sein.“
Weinberg aber, stellvertretender Fraktionschef und Direktkandidat bei der Bundestagswahl in Altona, nutzte die Gunst der Stunde zum Herausputzen christdemokratischer Leistungen: Höherer Rechtsanspruch auf Kita-Plätze, mehr Geld, mehr Kitas und mehr betreute Kinder – der Mann geriet geradezu ins Schwärmen. Dumm nur, dass sein Fraktionskollege Marino Freistedt ihm seinen Auftritt vermieste. „Das ist doch“, verkündete der, „alles Wahlkampf hier.“
Womit er zugleich seinem Parteifreund Wolfgang Beuß die Bühne bereitete, die dieser aber nicht zu nutzen wusste. Ausgerechnet zum Thema Wachsende Stadt musste der Sonderschullehrer sprechen, bloß weil er im Wahlkreis Eimsbüttel um ein Direktticket nach Berlin kämpft. Nun war das keineswegs die erste Debatte zu diesem Thema in den zurückliegenden vier Jahren. Allein Beuß, dessen Hauptfunktion der Vorsitz im Wissenschaftsausschuss der Bürgerschaft ist, hatte offenbar nie zugehört, wenn in der Vergangenheit die ExpertInnen sprachen.
„Gute Bildung ist die Grundlage für die Wachsende Stadt“, verkündete er ersatzweise und fügte hinzu, Senat und CDU „handeln nicht töricht, sondern klug“. Sinnsprüche, derethalben GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch ihn „für den Nobelpreis für Plattitüden“ zu nominieren versprach. Das könnte Aussicht auf Erfolg haben. Sven-Michael Veit