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Kampf um das preußische Erbe

Team der Woche: Der Eishockey Club Charlottenburg (ECC) hat sich nach der Pleite der Capitals 2004 gegründet. Der Regionaligist setzt auf eine erfolgreiche Nachwuchsarbeit. Das Minimalziel für diese Saison: die Meisterrunde

Die Deutschlandhalle ist geschlossen – so ist jedes Spiel für den ECC ein Auswärtsspiel

Während im Ostteil der Stadt mit den Berliner Eisbären der aktuelle Deutschen Meister residiert, bleibt die DEL im Westberliner Eishockey auf unbestimmte Zeit ein Traum. Nach der Insolvenz und dem Neuanfang der Berlin Capitals in der Regionalliga 2002 arbeitete man sich bis in die Oberliga hoch und schaffte in der vergangenen Saison mit dem Nachfolger Berliner Schlittschuh-Club Preussen sogar fast den Aufstieg in die 2. Bundesliga. Doch dem sportlichen Aus folgte der finanzielle Kollaps – diesmal endgültig.

„Nie mehr 4. Liga“, skandierte die treue Fangemeinde beim Aufstieg in die Oberliga damals euphorisch, nun sind sie genau dort wieder gelandet. Da für das Gros der Preussen-Fans die Eisbären keine Alternative darstellen, müssen sie sich nun zwischen den Regionalligisten FASS Berlin und dem ECC Preussen entscheiden.

Der ECC (Eishockey Club Charlottenburg) hatte sich nach der Pleite der Capitals 2004 gegründet, um unabhängig von wirtschaftlichen Kapriolen eines Großclubs leistungsorientierte Nachwuchsarbeit zu betreiben. Finanziell konnte man die Jungfernsaison zumindest mit einer „schwarzen Null“, also ohne offene Rechnungen, abschließen. Auch in sportlicher Hinsicht war man recht erfolgreich: Knaben und Kleinschüler wurden ostdeutsche Meister, die Schüler Deutscher Vizemeister.

Das auf Anfrage der Ligenleitung kurzfristig gegründete Regionalliga-Team musste noch um den Klassenerhalt spielen, mittlerweile hat man weit höhere Ansprüche: In naher Zukunft wird der Aufstieg in die Oberliga anvisiert; das Minimalziel dieser Saison ist der Einzug in die Meisterrunde. Keine einfache Aufgabe bei der nicht unerheblichen Konkurrenz, zumal der Verein mit einem großen Handicap in die Saison starten musste: Die Trainings- und Spielstätte der Charlottenburger – die Deutschlandhalle – wurde überraschend Anfang August geschlossen.

Die Messe Berlin beruft sich bei der Schließung der Halle auf ein bereits im April erstelltes Gutachten über bauliche und statische Mängel des Daches, die angeblich eine „Gefahr für Leib und Leben“ darstellen. Interessant ist dabei aber, dass sich dies ausschließlich auf den Eissport zu beziehen scheint, denn im Rahmen des Berliner Turnfestes im vergangenen Mai wurde die Halle noch genutzt. „Mutwillige Sabotage“, sagt Mannschaftsleiter Sebastian Baader dazu. Der Spielbetrieb ist momentan zwar nicht gefährdet, der logistische Mehraufwand aber beträchtlich. Bis auf weiteres ist der ECC auf Eiszeiten in anderen Hallen angewiesen – und so ist jedes Spiel quasi ein Auswärtsspiel.

Auch personell musste man Einbußen hinnehmen. Bedingt durch die unsichere Hallensituation haben sich Spieler verschiedener Altersklassen für andere Vereine entschieden, unter ihnen Marco Rentzsch. Die Verpflichtung des ehemaligen Nationalspielers dürfte für den Lokalrivalen FASS dabei nicht nur auf sportlicher Ebene, sondern auch im aufgekommenen Kampf um die Gunst der Preussen-Fangemeinde von Vorteil sein. Aber auch der ECC hat einige Ex-Preussenspieler im Kader, etwa Lars Hoffmann, André Berger und Nils Watzke.

Es bleibt abzuwarten, ob einer der beiden Vereine in der Lage ist, das durch den Wegbruch des Westberliner Traditionsvereins entstandene Vakuum zu füllen. Beim Saisonauftaktderby ging am Samstag jedenfalls der ECC als klarer Sieger (8:1) vom Eis – eine laut Vorstand durchaus „angemessene Darstellung des Kräfteverhältnisses“. KERSTIN MORITZ

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