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Archiv-Artikel

Landgericht rügt Hausdurchsuchungen

Anhaltslos und unverhältnismäßig seien die Durchsuchungen bei zwei Atomkraftgegnern gewesen, urteilt das Landgericht in Lüneburg. Sein Beschluss liest sich wie eine Aufforderung zum Nachsitzen für Staatsanwaltschaft und Amtsgericht

AUS TOLLENDORF EIKEN BRUHN

Die Zustimmung eines Dannenberger Amtsrichters zu der Durchsuchung von Wohnungen am 11. August im wendländischen Tollendorf war falsch. Zu dieser Einschätzung kommt das Landgericht Lüneburg. Die Durchsuchungen seien anhaltslos und unverhältnismäßig, urteilte das Gericht, das auch die Beschlagnahme von Computern und Akten der AtomkraftgegnerInnen Martin N. und Elisabeth K. aufhob.

Selbst wenn die beiden – wie es ihnen die Ermittlungsbehörden vorwerfen – zu einer Straftat aufgerufen hätten, dann sei diese nicht schwerwiegend genug, um „in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Betroffenen“ einzugreifen, heißt es im Beschluss der Richter. Diebstahl sei schließlich nur ein Vergehen und rechtfertige keine Wohnungsdurchsuchung.

Zum Hintergrund: Im Internet wurde für den 10. August 2005 eine Veranstaltung zu der Aktionsform „Yomango“ (spanisch für „ich klaue“) angekündigt, genauer eine „Yomango-Modenschau (möglichst mit Umsonst-Buffet)“. Martin N. ist Inhaber der Seite und Mitveranstalter des Precair-Camps, auf dem es um Armut in Deutschland geht – und um Yomango.

Anders als Staatsanwaltschaft und Amtsrichter kann das Landgericht nach Beschäftigung mit der Seite keine Aufforderung zum Diebstahl erkennen. Die Richter kritisieren, dass die Ermittler in keiner Weise darlegen könnten, wann und wo etwas geklaut werden sollte, auch hätte eine „derartige prognostizierte Yomango-Diebstahlsaktion“ nicht stattgefunden. „Zahlreiche Fragen sind offen bzw. die Antworten auf diese Fragen sind bloße Vermutungen“, heißt es in dem Beschluss, der sich stellenweise wie eine Aufforderung zum Nachsitzen liest. „Sollten am 10. August 2005 überhaupt Diebstähle begangen werden? Oder lediglich Proteste – mit ‚Modenschau‘?“

Für Martin N. ist der Beschluss des Landgerichts nur ein schwacher Trost. „Den Ekel, den man empfindet, wenn jemand in die Privatsphäre eingedrungen ist, den wird man nicht los.“ Die beschlagnahmten Gegenstände und Papiere hat die Polizei gestern wieder herausgerückt, das Ermittlungsverfahren ist nach Auskunft der Staatsanwaltschaft eingestellt. Offen ist, inwiefern die Behörden dafür aufkommen müssen, dass Martin N. und Elisabeth K. die Arbeitsgrundlage für die in ihren Wohnungen produzierte Zeitschrift Anti-Atom-Aktuell entzogen worden war.