Liebe in Zeiten des Sozialismus

SCHMACHTFETZEN Eine Seifenoper preist die Errungenschaften Venezuelas – die Hauptrolle spielt darin ein Zug. Die Idee hatte Präsident Hugo Chávez persönlich

Dass alle immer einen Sitzplatz im Zug bekommen, ist mehr dem Drehbuch als der Realität geschuldet

VON JÜRGEN VOGT

Braunstichige Fotos zeigen Eisenbahnromantik. „Es war einmal ein Land, in dem eine Eisenbahn fuhr, aber das Erdöl hat sie in eine Erinnerung verwandelt. Nicht ein Waggon rollte mehr über die verrosteten Gleise. Bis eines Tages …“ die Eisenbahn auch in Venezuela wieder rollte. Mit diesem Vorspann beginnt die neue sozialistische Telenovela „Teresa en tres estaciones“.

Ein Wortspiel um drei Teresas in drei Bahnhöfen und in drei Lebenslagen. In 40 Kapiteln breitet sich das Leben der drei Heldinnen aus: Da ist María Teresa, die 48-jährige Chefzugführerin, die davon träumt, endlich einen Mann zum Heiraten zu bekommen. Eine amouröse Beziehung bahnt sich an, als der 20 Jahre jüngere Zuganwärter Renny seinen Dienst antritt.

Da ist die 28-jährige alleinerziehende Cruz Teresa, die zwischen ihrem Manikürejob, abendlichen Auftritten als Sängerin und der Versorgung ihres achtjährigen Kindes hin und her eilt und davon träumt, ein Star zu werden, Hilfe aber nur von dem linkischen und unsterblich verknallten Arnulfo erfährt. Und da ist Ana Teresa, die 18-jährige Kunst- und Filmstudentin, die von der große Kinokarriere träumt und noch nicht weiß, dass sie sich eines Tages für den jungen Bahnhofssanitäter José Rafael entscheiden wird.

Aber vorher werden noch viele Kapitel über die Bildschirme flimmern, in denen das Niveau der schauspielerischen Leistungen und Dialoge dem Durchschnittslevel von „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ entspricht. Doch wenn sich die Akteure einzeln und mit kurzen Monologen an die Kameras wenden, blitzt großes Können auf.

Der heimliche Star ist die Eisenbahn und damit die einzige tatsächlich existierende Zugverbindung in ganz Venezuela, die Passagiere befördert. Auf einer 14,4 Kilometer langen Strecke fährt der Vorortzug von der Station Libertador Simón Bolívar in der Hauptstadt Caracas bis zum Bahnhof General Ezequiel Zamora in Cúa in Los Valles del Tuy im Bundesstaat Miranda. Unterwegs wird genau zweimal gehalten. Die Fahrt dauert 35 Minuten und damit ein wenig länger als jede Telenovelafolge, die ihre Sendestrecke montags bis freitags in 30 Minuten zurücklegt

Die Idee lieferte Präsident Hugo Chávez höchstselbst. Als er die Strecke 2006 einweihte, geriet der Staatschef ins Schwärmen von jener Zeit, in der noch die Eisenbahnen dampften. „Machen wir doch eine Telenovela darüber,“ sagte Chávez damals. Zwei Jahre später legte der Comandante nach, als er vor dem Gift der kapitalistischen Telenovelas warnte, die den Jugendlichen „dieses Plastikleben und vielfach Gewalt, Prostitution und Drogen einflößen“. Beides griff Produzentin Delfina Catalá auf. Gedreht wurde in den realen neuen Zügen, den vier Bahnhöfen und vor der Kulisse der Werks- und Bahnhofshallen.

Dass jedoch alle immer einen Sitzplatz im Zug bekommen, ist sicher mehr dem Drehbuch als der Realität geschuldet. Offen sozialistisch wurde es bisher – die Serie läuft seit vergangener Woche –, wenn die Akteure durch die Geschäftszeilen in den Bahnhöfen schlendern („Tu zona comercial socialista“) oder wenn Ana Teresa zum Seminar an die 2008 von Chávez eingeweihte Universidad Nacional Experimental de las Artes geht.

Ausgestrahlt wird die Serie bei der staatlichen Televisora Venezolana Social (TVES). Die hatte 2007 die Sendefrequenz des oppositionellen Senders Radio Caracas Televisión (RCTV) zugeschlagen bekommen. RCTV war der Regierung wegen seiner Rolle während des Putsches gegen Präsident Chávez im April 2002 ein Dorn im Auge. Aber man wartete geduldig ab, bis die Lizenz von RCTV für die Sendefrequenz im Mai 2007 auslief.

„Teresa en tres estaciones“ ist nicht die erste sozialistisch geprägte Telenovela. 2004 startete mit „Amores de Barrio Adentro“ die erste Soap beim staatlichen Sender Venezolana de Televisión. Angelehnt an das Aufbauprogramm Barrio Adentro, einer Gesundheitsgrundversorgung mithilfe kubanischer Mediziner in den Armenvierteln, zeigte sie die ersten Jahre der bolivarianischen Revolution.

„Teresa en tres estaciones“ widmet sich jetzt den sozialistischen Errungenschaften. Wer daran teilhaben möchte, kann die drei Teresas durch ihre Stationen begleiten.

tves.gob.ve/teresa_3_estacione