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Archiv-Artikel

Szenen einer linken Ehe

Nach dem Wahlerfolg der Linkspartei brechen auch in Bremen die Fronten zwischen WASG und PDS auf. Ob man sich bis zur nächsten Bürgerschaftswahl in zwei Jahren auf eine gemeinsame Partei einigen kann, ist noch unklar

Bremen taz ■ Die Sozialdemokraten dürfen weiter hoffen: Noch gibt es links von ihr keine neue Partei. Ob sich das bald ändern wird, ist nach der Bundestagswahl wieder völlig unklar. Denn nach dem Erfolg am vergangenen Sonntag brechen die Flügelkämpfe zwischen der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) und der PDS auf – auch in Bremen. Am Dienstag trafen sie sich erstmals nach der Wahl im Konsul-Hackfeld-Haus. Ob die Fusion der beiden Flügel der Linkspartei gelingen wird, blieb am Ende des Abends offen. Schon bei der Wahlanalyse war Streit ausgebrochen.

Eigentlich hatten die rund 40 WahlkämpferInnen der Linkspartei allen Grund, zufrieden zu sein. Und sich selbst zu feiern, standesgemäß mit einem Glas Rotkäppchen-Sekt anzustoßen. „Wir haben in Bremen das zweitbeste westdeutsche Ergebnis erzielt“, verkündete Axel Troost stolz – „mit weitem Abstand“. Applaus. Troost wird künftig im Bundestag sitzen, als Mitglied im geschäftsführenden Bundesvorstand der WASG. Und als Bremer, wie er stets betont.

Doch schon nach einer halben Stunde war es wieder vorbei mit der trauten Einigkeit. „Die WASG kam auf der Wahlfete überhaupt nicht vor“, polterte Volker Stork, Sprecher der Bremer Wahlalternative los. „Unser Leute waren sehr vergrätzt. So werden wir uns in Zukunft nicht abspeisen lassen.“

Ein Angriff auf den Spitzenkandidaten der Bremer PDS, Klaus-Rainer Rupp. „Wenn ihr uns als fünftes Rad am Wagen behandelt, dann gehen wir am besten gleich nach Hause.“ Aufruhr im Saal. „Quatsch“ tönt es von der einen Seite, „Sauerei“ von der anderen. Stork hat genug, wütend verlässt er den Saal. Drinnen wird er von seinem Wahlkampfleiter Jörg Güttler verteidigt: „Die Frustration ist verständlich“.

Er habe „wir und wir“ verwechselt, verteidigt sich Rupp. „Ich habe den Vereinigungsprozess im Herzen schon vorweggenommen“. Doch bei der WASG ist man emotional noch nicht soweit, einige fürchten die Dominanz der PDS. Man rede bislang „nicht auf gleicher Augenhöhe“, sagt auch Troost, Gründungsmitglied der WASG. „Wir haben unter der Führung der PDS gekämpft. Das konnte auch gar nicht anders sein.“ Doch von nun an, warnt er, „muss die WASG anders wahrgenommen werden“.

Der Siegestaumel in der Linkspartei währt auch andernorts nur kurz: Auch in Berlin gibt es Streit zwischen den beiden Partnern – wegen der Regierungsbeteiligung der PDS im Berliner Senat. Ein „Stillhalteabkommen“ wurde vereinbart, doch seit der Bundestagswahl stehen die Zeichen auf Konfrontation. Auch in Sachsen, wo Troost über die Landesliste in den Bundestag einzog, wird gestritten. Es gebe auch da „viele Vorbehalte“ gegen die Vereinigung der beiden Parteien, gesteht Troost ein – und befürchtet „größere Widerstände“.

Die Konfliktlinien verlaufen dabei nicht nur zwischen den Parteiflügeln, sondern zwischen Ost und West. Während sich die Linkspartei im Osten als „Volkspartei“ begreife, so Troost, sei der Westflügel auf „Fundamentalopposition“ gepolt. Dementsprechend erteilt Troost allen rot-rot-grünen Koalitions-Spielchen für Berlin eine klare Absage. „Das wäre nicht glaubwürdig.“

Axel Troost spricht sich für ein langsames Zusammenwachsen der beiden Parteien aus: Ob man in Bremen schon zur Bürgerschaftswahl 2007 mit einer gemeinsamen Formation antreten könne, sei „noch keineswegs sicher“.

Beim PDS-Mann Rupp hört sich das etwas anders an. Bis zum Frühjahr 2006 wolle man sich auf „Kernpunkte“ verständigen, schon in den kommenden Wochen eine „Roadmap“ vereinbaren. Die Hoffnungen sind groß unter den GenossInnen, allenthalben rechnet man sich gute Chancen aus, in die Bürgerschaft einzuziehen – wenn man gemeinsam antrete. Für eine eigenständige WASG mochte am Dienstag jedenfalls niemand sein Wort erheben. Und in einem waren sich am Schluss alle einig: „Wir werden uns noch öfters streiten.“ Jan Zier