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Archiv-Artikel

„Die Jagd nach Rendite geht wieder los“

FINANZKRISE „Zu große Banken können Regierungen erpressen“, warnt der Präsident des Sparkassenverbandes

Heinrich Haasis

■ ist 64 Jahre alt und seit 2005 Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV). Der Diplomverwaltungswirt war zunächst Bürgermeister der gemeinde Bisingen, später Landrat und Landtagsabgeordneter der CDU in Baden-Württemberg. 1991 wurde er Präsident des Württembergischen Sparkassenverbandes.

INTERVIEW STEPHAN KOSCH

taz: Herr Haasis, die Banken schreiben wieder Milliardengewinne. Müssen wir noch von einer Finanz- und Wirtschaftskrise sprechen?

Heinrich Haasis: Ja, denn sie ist noch nicht überwunden und die Lehren wurden noch nicht gezogen. Zwar geht es den Sparkassen weiterhin gut, weil sie Geschäfte gemacht haben, die sie verstehen, mit Kunden, die sie kennen. Weltweit muss sich etwas ändern im Finanzsystem. Und ich habe Zweifel, dass das geschieht.

Warum? Haben die Banker nichts gelernt?

Vor einem Jahr herrschte bei einer Weltbank-Tagung noch Totengräberstimmung. In diesem Jahr war das anders. In Istanbul zeigte sich höchstens ein Drittel nachdenklich und fragte nach den notwendigen Konsequenzen aus der Finanzkrise. Und dass wir wieder den Kunden in den Mittelpunkt stellen müssen, diese Einsicht war höchstens bei der Hälfte der Teilnehmer vorhanden. Fehler machen ist schlimm, nicht daraus zu lernen aber noch schlimmer.

Wo sitzen denn diejenigen, die nichts ändern wollen?

Vor allem in den weltweit tätigen Instituten, in den Investmentbanken. Dort wird jetzt mit ähnlichen Produkten wieder viel Geld verdient. Das Geschäft mit den strukturierten Produkten, das ja einer der Gründe für die Krise war, läuft längst wieder an. Ebenso die Jagd nach kurzfristigen Renditen. Insofern befürchte ich schon, dass zumindest einige Marktteilnehmer wieder die Wege beschreiten, die uns an den Abgrund geführt haben.

Zählen Sie dazu auch konkrete Renditevorgaben, wie zum Beispiel die 25 Prozent, an denen Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann weiterhin festhält?

So viel Geld ist im Geschäft mit der breiten Kundschaft nicht zu verdienen. Wer so etwas proklamiert, hat andere Geschäftsmodelle im Blick. Das funktioniert bei Sparkassen nicht und das hat nach meiner Meinung auch mit Nachhaltigkeit nichts zu tun.

Wie viel Profit wollen Sie denn machen?

Wir haben eine Untergrenze von 2 Prozentpunkten über dem langfristigen Kapitalmarktzins definiert. Das ist ein grundlegender Paradigmenwechsel: Damit markieren wir, was die Sparkassen mindestens benötigen, um nachhaltig das Geschäftsmodell zu erhalten. Natürlich arbeiten wir daran, diesen Wert immer etwas zu übertreffen. In den letzten 15 Jahren waren die Sparkassen mit einer Durchschnittsrendite von gut 6 Prozent die profitabelste Bankengruppe in Europa. Banken müssen verstehen, dass langfristig das Vertrauen und die Zufriedenheit der Kunden die Voraussetzung für gute Geschäftsergebnisse sind.

Kann denn die globalisierte Finanzwelt tatsächlich so arbeiten wie die Sparkasse Castrop-Rauxel?

Globalisierung kann doch nicht bedeuten, dass Banken immer größer und immer risikoreicher für die Volkswirtschaften insgesamt werden.

Warum?

Die Finanzwirtschaft ist in den letzten Jahren wesentlich stärker gewachsen als die Realwirtschaft. Der Grund dafür waren virtuelle Geldgeschäfte ohne eine reale Kundenbasis. Das hat uns in die Krise geführt und das muss zurückgedreht werden. Alle Regierungen reden davon, dass einzelne Banken nicht so groß werden dürfen, dass ihr Konkurs ganze Staaten in den Ruin treibt. Das hat auch die Bundeskanzlerin vor und nach dem G-20-Gipfel gefordert. Die Wirklichkeit sieht aber anders aus. In den USA zum Beispiel hat die Krise für noch viel größere Banken gesorgt. Und in Deutschland wird mit Staatshilfe eine börsennotierte Bank noch größer und damit systemrelevanter gemacht.

Und nun? Sollen die neuen Bankenriesen wieder zerschlagen werden?

Zu große Banken können Regierungen erpressen. Das Mindeste sind deshalb Regularien, mit denen große Banken besonders beaufsichtigt, mit höheren Eigenkapitalanforderungen belegt und notfalls auch abgewickelt werden können.

Bei den Landesbanken, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, gibt es aber auch Fusionen. Von neun Instituten sollen nur noch drei übrig bleiben.

„Ich befürchte, dass einige wieder die Wege beschreiten, die uns an den Abgrund geführt haben“

HEINRICH HAASIS

Fusionen bei Landesbanken sollen ein Mittel sein, um Risiken und damit Größe zurückzufahren. Die Landesbanken sollen wieder stärker Dienstleister für die Sparkassen und für deren Kunden sein. Die Sparkassen wollen, dass sich die Landesbanken künftig weitgehend auf Geschäfte mit realwirtschaftlicher Grundlage konzentrieren und die reinen Finanzgeschäfte abbauen.

Wann werden wir nur noch drei Landesbanken haben?

Das ist schwer zu sagen. Im Moment steht im Vordergrund, die von der Krise betroffenen Landesbanken wieder auf solide Beine zu stellen. Diese Unsicherheit bremst Fusionsüberlegungen. Auch mit Brüssel gibt es noch einiges zu klaren, denn es sind ja auch Beihilfen geflossen. Bevor die Vorgaben der EU-Kommission nicht umgesetzt sind, wird sich nicht viel verändern. Und dann müssen wir ja auch noch mit den Ländern als Miteigentümern einig sein.

Attac und vor der Wahl sogar der deutsche Bundesfinanzminister fordern eine Steuer für alle Transaktionen auf den globalen Finanzmärkten. Wie stehen sie als Bankenvertreter dazu?

Natürlich wünschen wir uns das nicht. Ich sehe eine solche Steuer aber als eine Möglichkeit, alle an den Finanzmärkten an den volkswirtschaftlichen Lasten der Finanzkrise zu beteiligen. Früher war das Gegenargument, dass eine solche Steuer unrealistisch ist, weil alle Länder mitmachen müssen. Durch das Instrument der G 20 ist das aber nun möglich.

Die neue Bundesregierung will Steuern über eine neue Rekordverschuldung senken. Keine nachhaltige Politik, oder?

Zumindest werden die Staatsschulden uns noch nachhaltig beschäftigen. Das ist schon beängstigend. Aber man muss fair bleiben. Wir sind im Jahr der schwersten Rezession der Nachkriegsgeschichte. Die Bundesregierung hat die Folgen abgemildert, indem sie Geld in die Hand genommen hat. Und solide finanzierte Steuererleichterungen können natürlich helfen, das Wachstum zu beschleunigen. Das kann aber nur gut gehen, wenn die Bundesregierung den Mut hat, bei einem beginnenden Aufschwung Geld zu sparen und dann bei den Ausgaben zu kürzen.