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Archiv-Artikel

Auf Informationspflicht besinnen

betr.: „Das Medialdebakel“, taz vom 20. 9. 05

Ich bin ein 53-jähriger Hartz-IV-Betroffener Familienvater und immer noch aktiver Jüterboger Montagsdemonstrant. Ich bin „Opfer“ des in Ihrem Artikel beschriebenen Szenarios. Mein Leidensweg begann mit meiner Arbeitslosigkeit im Jahre 1997. Der klassische Verlauf endete in tiefer Depression, Schuldgefühlen und Selbstzerfleischung. Die Medienberichterstattung, welche im Jahre 2002 einsetzte und die ich nur als „Reformhysterie“ bezeichnen kann, welche schließlich in der von Gerhard Schröder losgetretenen „Faulheitsdebatte“ gipfelte, und das Fehlen jeglicher Opposition im Bundestag sowie in den Medien, brachte mich auf einen absoluten persönlichen Tiefpunkt. Zum meinem Glück gesellte sich zu meinem niederschmetternden Ohnmachtsgefühl eine unbändige Wut. Diese Wut entlud sich am 16. 8. 2004 auf der 2. Jüterboger Montagsdemonstration. Es war meine persönliche Rettung und Befreiung. Medienkritik zog sich fortan wie ein roter Faden durch meine Redebeiträge auf den Montagsdemonstrationen.

Umso mehr freut es mich, dass sich in den letzten Monaten Journalistinnen und Journalisten zunehmend auf ihre Informationspflichten besinnen und selbstkritisch ihre verantwortungsvolle Tätigkeit begreifen. Liebe Frau Pilarczyk, vielen Dank, und machen Sie weiter so. Es gibt noch viel zu tun. Zum Beispiel der absolut „rechtsfreie Raum“, in welchem tausende von so genannten 1-Euro-Jobbern gehalten werden. Diese Tragödien spielen sich, fast unbemerkt von der Öffentlichkeit, auf kommunaler Ebene ab. Das SGB II bezüglich der 1-Euro-Jobs wird tausendfach gebrochen und verbogen. Die Betroffenen haben Angst, nicht die Kraft und das Know-how, sich zur Wehr zu setzen. Hier wäre intensive journalistische Recherche dringend von Nöten, um dem Filz zwischen den ARGEs und den Trägern der 1-Euro-Jobs und den einhergehenden Rechtsbrüchen auf Kosten der wehrlosen Menschen endlich Einhalt zu gebieten.

MICHAEL MAURER, Dalichow