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Archiv-Artikel

Erwogen und für schlecht befunden

SPD-Chef Müntefering hat angeblich nie geplant, die Geschäftsordnung des Bundestages zu ändern

Das Manöver wäre alsoffensichtliche Manipulation der Regeln aufgefasst worden

FREIBURG taz ■ Die SPD hat eine dumme Idee geprüft und verworfen. Wie die Süddeutsche Zeitung meldete, plante die Fraktionsspitze eine Änderung der Bundestags-Geschäftsordnung, um zu verhindern, dass CDU und CSU eine Fraktionsgemeinschaft bilden können. Parteichef Franz Müntefering dementierte postwendend: die SPD beabsichtige „keine Änderung“.

Konkret ging es um Paragraf 10 der Geschäftsordnung, der regelt, dass fünf Prozent der Abgeordneten eine Fraktion bilden können, die entweder der gleichen Partei angehören oder „solchen Parteien, die aufgrund gleichgerichteter politischer Ziele in keinem Land miteinander im Wettbewerb stehen“. Der Halbsatz war 1969 auf Wunsch von CDU und CSU angefügt worden. Bis dahin mussten sie sich ihre Fraktionsgemeinschaft alle vier Jahre vom Plenum des Bundestags genehmigen lassen. Scheinbar gab es nun Überlegungen in der SPD, zum Zustand vor 1969 zurückzukehren. Die Geschäftsordnung hätte mit der Mehrheit der Abgeordneten geändert werden können, Grüne und Linkspartei hätten aber mitspielen müssen.

Soweit es solche Pläne gab, hätten sie der SPD nur Ärger gebracht. Das Manöver wäre als offensichtliche Manipulation der Regeln zu Lasten eines Konkurrenten aufgefasst worden. Denn einen Grund für die Änderung der Geschäftsordnung hätten die Sozialdemokraten nicht vorweisen können.

Dementsprechend hätte sich dann aber auch in der Sache gar nichts geändert. Auch wenn CDU und CSU wieder eine Genehmigung des Bundestags benötigten, wäre es undenkbar, die Zustimmung zu verweigern. CDU/CSU wären also doch stärkste Fraktion gewesen.

Für die Kanzlerwahl ist die Fraktionsstärke eh nebensächlich: Kanzler wird, wer – durch geschickte Verhandlungen – die Mehrheit der Abgeordneten hinter sich bringt. Eine Ampel oder eine rot-rot-grüne Koalition könnte die SPD auch bilden, wenn sie nur zweitstärkste Fraktion ist. Der Vergleich mit der Union dürfte nur bei einer großen Koalition eine größere Rolle spielen. Aber auch dann gibt es keinen Automatismus. Die größere Fraktion könnte der etwas kleineren auch die Kanzlerschaft überlassen und dafür wichtige Ministerien beanspruchen. CHRISTIAN RATH