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Archiv-Artikel

Betriebsrat durchgesetzt – Filiale dicht

Im baden-württembergischen Calw wird ein Lidl-Markt geschlossen, in dem ein Betriebsrat gegründet und gestreikt wurde. Ver.di klärte in einer „Kundenwoche“ auch in Berlin über die schlechten Arbeitsbedingungen bei dem Discounter auf

VON R. RECKLIES UND R. ROTHER

Proteste gegen die Arbeitsbedingungen bei Lidl: Erstmals in Berlin haben gestern rund 100 Menschen vor einer Filiale des Lebensmitteldiscounters Lidl für mehr Rechte für Beschäftigte demonstriert. Die Aktion der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di vor einer Filiale im Stadtteil Mitte bildete den Abschluss einer „Kundenwoche“, die die Gewerkschaft bundesweit durchgeführt hatte. Damit sollten Kunden über die Arbeitsbedingungen bei Lidl aufgeklärt werden.

Die Aktion in Berlin wurde von Politikern von SPD, Grünen und Linkspartei.PDS unterstützt. Der Berliner Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei) sagte: „Mitbestimmung und das Recht, mit Unterstützung der Gewerkschaften Betriebsräte zu gründen, sind Grundpfeiler unserer Demokratie und der sozialen Marktwirtschaft. Das gilt auch für Lidl.“

Auch in Baden-Würrtemberg gerät der Discounter unter öffentlichen Druck. „Wir werden jetzt alle juristischen Mittel ausschöpfen, die uns zur Verfügung stehen“, gibt sich Werner Wild, stellvertretender baden-württembergischer Landesvorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, kämpferisch. Wild will mit der Belegschaft des Lidl-Marktes in Calw nicht hinnehmen, dass diese örtliche Filiale geschlossen wird. Dies geschehe, „nur weil wir einen Betriebsrat gegründet und vor wenigen Monaten gestreikt haben“, so der Calwer Betriebsratsvorsitzende und Geschäftsstellenleiter Jost Walther.

Doch nicht nur die die Gewerkschaft und die 13 Calwer Lidl-Mitarbeiter setzen sich mit aller Kraft für den Erhalt der Filiale in der Geburtstadt Hermann Hesses am Rande des Nordschwarzwaldes ein. Mehr als 9.000 Bürgerinnen und Bürger aus Calw und Umgebung haben mit Unterschriften ihre Solidarität mit der Calwer Lidl-Belegschaft bekundet und sich für einen Erhalt des Marktes ausgesprochen.

Im Rahmen der von Ver.di organisierten Lidl-Aktionswoche haben Vertreter der Dienstleistungsgewerkschaft und eine Delegation des Calwer Lidl-Marktes die Unterschriftenlisten bei der Konzernzentrale in Neckarsulm übergeben.

„Wir freuen uns, dass sie die 9.000 Unterschriften gesammelt haben und werden sie an die Regionalgeschäftsleitung in Bietigheim weiterleiten“, so die kurzfristig zur Pressesprecherin ernannte Mediaberaterin Brucker der Münchner Agentur Engel & Zimmermann. Dennoch steht für Michael Rossmann, Geschäftsführer der Bietigheimer Regionalgesellschaft, fest: „Wir werden am 30. September schließen. Das ist Fakt.“ Laut Rossmann ist die Filiale zu klein für den Produktumfang, den der Discounter heute anbiete.

„Wenn Lidl die Calwer Filiale zum anvisierten Termin schließt, dann erfolgt dies illegal“, so Werner Wild, der zusammen mit seinem für die Region Calw verantwortlichen Kollegen Willi Hagel alles unternehmen will, um die Schließung zu verhindern. Eine Schlichtungsstelle sei noch nicht eingerichtet, „außerdem gibt es bislang keinen Interessenausgleich, wie es vom Bundesgesetz her vorgeschrieben ist“, erklärt Wild. In den nächsten Tagen soll daher die Staatsanwaltschaft eingeschaltet werden.

Dass den 13 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in anderen Märkten „in bis zu 60 Kilometer Entfernung“ (Walther) neue Arbeitsplätze angeboten werden, käme in vielen Fällen einer Kündigung gleich, da die Mitarbeiter oft in Teilzeit beschäftigt seien oder kleine Kinder haben, erklärt Hagel. Rossmann hingegen erklärt: „Bei der Agentur für Arbeit werden Arbeitsangebote im Umkreis von 100 Kilometern als annehmbar angesehen.“