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Archiv-Artikel

Abstiegs-Hit des Tages

Der MSV Duisburg verlässt nach einem 1:0-Erfolg über Nürnberg die Abstiegsränge. MSV-Präsident Hellmich erfreut sich an der Vereinshymne

„Was wir erlebt haben, war totaler Abstiegskampf, da kann keiner glänzen“

AUS DUISBURG ROLAND LEROI

Für die Ausführungen von Nürnbergs Trainer Wolfgang Wolf hatte Walter Hellmich kein Gehör. Als sich Wolf darüber beklagte, dass sein Team mit nur drei Punkten Letzter der Bundesliga-Tabelle sei, kramte der MSV-Präsident wenige Meter entfernt ganz gelassen in der Hosentasche nach seinem fortwährend klingelnden Handy. Glückwünsche zum 1:0-Erfolg des MSV Duisburg wollte er aber nicht annehmen, viel mehr genoss er die MSV-Hymne, die sich der Bauunternehmer als Klingelton aufs Mobiltelefon geladen hatte. „Der Hit des Tages“, meinte Hellmich und summte mit.

Die Freude war verständlich, schließlich gelang den Duisburgern am siebten Spieltag der erste Saisonsieg. Historisch betrachtet war es sogar der erste Bundesliga-Erfolg seit dem 31. März 2000 (3:0 in Ulm). Doch weil der MSV zwischenzeitlich fünf Jahre gar nicht im Oberhaus vertreten war, spielte derlei Zahlenwerk nur eine geringe Rolle. „Es ist beruhigend zu wissen, dass wir für unsere Bemühungen auch mal belohnt werden“, meinte Mittelfeldspieler Tobias Willi und sprach davon, dass der erste Saisonsieg „eben wahnsinnig wichtig für die Psyche“ sei. All zu oft habe man in den vorherigen Partien ordentlich mitgehalten und unglücklich den Sieg verschenkt. Diesmal reichten das Tor von Markus Kurth aus der 28. Minute und eine Parade von Torhüter Georg Koch in der Nachspielzeit.

Beklagen konnten sich diesmal nur die Nürnberger, denen von Schiedsrichter Peter Gagelmann bereits in der 8. Minute die Anerkennung eines Treffers verweigert wurde. Markus Daun schoss aus kurzer Distanz, Georg Koch nahm den Ball erst hinter der Linie auf. „Der Ball war klar drin, nur der Linienrichter sah es nicht. Das passt zu unserer Situation“, schimpfte Daun später. Schon in der Vorsaison seien ihm zwei Treffer aberkannt wurden. „Ich gehöre halt nicht zu den glücklichsten Bundesligaspielern“, meinte der Stürmer. Koch wies daraufhin, dass er „direkt reagiert und weiter gespielt habe. So war es für den Schiedsrichter schwer zu erkennen.“

Laut Wolf hatte diese Szene Signalwirkung: „In der Folge verloren wir den Rhythmus und fanden nicht mehr statt.“ Die keineswegs überragenden Duisburger übernahmen die Kontrolle. Vor allem Dirk Lottner verlieh dem Spiel Struktur. Zu Saisonbeginn auf die Reservebank gesetzt und lange geschmäht, weil lauf seines Trainers Norbert Meier „nicht ins System passe“, bewies Lottner nun das Gegenteil. Der 33-jährige „Stehgeiger“ passte sich dem System an. Mit breiter Brust vermittelte er Selbstvertrauen, rannte weite Wege und schlug überdies Pässe, die ankamen. Kein Zufall war es, dass Lottner den zum 1:0 führenden Eckball auf Kurth schlug. Der Kollege, mit dem er zum gemeinsamen Wohnort Köln eine Fahrgemeinschaft bildet, köpfte ein – später bat er um Verständnis für das schlechte Spielniveau: „Was wir erlebt haben, war totaler Abstiegskampf, da kann keiner glänzen.“ Auch Lottner stellte die nötige Aggressivität in den Vordergrund: „Dass es schöneren Fußball gibt, ist unbestritten.“

Für den Regisseur war ohnehin der Kampfgeist entscheidend. Oft habe er sich die vergangenen Duisburger Auftritte auf Video angesehen und die Erkenntnis gewonnen, dass „wir den Gegner nicht nur stellen, sondern überdies die Bälle erarbeiten müssen“. Künftig will er vor allem die Effektivität forcieren: „Nicht nur die Nürnberger waren überrascht, als ich Pässe in die Tiefe spielte, auch meine MSV-Kollegen schienen darauf nicht immer vorbereitet“, meinte Lottner vielsagend. Zur „Wiederauferstehung“ Lottners, der vom Publikum gefordert und mit Ovationen verabschiedet wurde, wollte sich Meier später nicht äußern. Eher bärbeißig und wie ein Verlierer dreinschauend, meinte der MSV-Coach zwar, dass er sich riesig über den Sieg freue, wirklich zeigen mochte er das aber nicht. Meier verließ die Arena später durch die Hintertür.

Präsi Hellmich genoss derweil den Blick auf die Tabelle. Den letzten Platz gab der MSV an Nürnberg ab und kletterte auf den 14. Rang. „Die Mannschaft gab alles, wir sind wieder da“, gab der MSV-Boss beseelt zu Protokoll und stellte den Lautstärkeregler auf seinem Handy noch etwas nach oben.