JUTTA LIETSCH ÜBER DAS ENDE DES KP-PARTEITAGS IN PEKING : Wem gehört China?
Es war ein vertrautes Bild: In einer streng ritualisierten Zeremonie präsentierte die Kommunistische Partei Chinas am Donnerstag jene sieben Politiker, die das Land künftig führen sollen. Die Botschaft, die der neue KP-Chef Xi Jinping in seiner kurzen ersten Erklärung verkündete: Wir machen weiter wie bisher. Der 59-Jährige beschwor seine Leute zugleich, zusammenzustehen und künftig weniger korrupt und bürokratisch zu sein.
Das hört sich an wie: Im Osten nichts Neues. Aber weitermachen wie bisher geht nicht, das weiß auch Xi. In China werden die Rufe nach mehr Rechtssicherheit und sozialer Gerechtigkeit lauter, ebenso Proteste gegen die privilegierte KP-Elite. Darauf kann die Partei mit Reformen oder mehr Repression antworten.
Ideologisch steht politischen Neuerungen nichts mehr im Weg. Karl Marx schmückt gerade noch die Wände der Parteibibliotheken. Nein, die größte Hürde für Reformen ist die extreme Verflechtung der KP mit der chinesischen Wirtschaft. Längst ist eine KP-Oligarchie enorm reicher Familien entstanden. Sie betrachten China als ihr Eigentum.
Offiziell gehören das Land und seine Ressourcen dem Staat. Die tatsächliche Macht aber hat die KP – und damit den letzten Zugriff auf Grund und Boden, auf Rohstoffe, auf Öl, auf Immobilien und auf das Geld. Die Staatsbanken, die Energiekonzerne, das Militär – alle unterstehen KP-Funktionären und ihren Familien. So häuften Clans wie der des neuen KP-Chefs Xi ihre Vermögen an.
Bisherige Bemühungen, Staat und Partei zu trennen und mehr Licht in die Besitzverhältnisse und Budgets zu bringen, scheiterten. KP-Politiker lehnen eine Kontrolle durch unabhängige staatliche Institutionen oder gar durch eine freie Presse regelmäßig als „fremde Einflüsse“ oder „westliche Gewaltenteilung“ ab. Deshalb die Sorge, dass auch die neue Führung zu den nötigen Reformen nicht bereit oder fähig sein wird. Dann bliebe ihr nur eines: mehr Repression.
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