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Archiv-Artikel

Psychologe mit Kinderkrankheit

SERIE Der Pilotfilm zu „Flemming“ ächzt unter der bildungsbürgerlichen Ambitioniertheit des Buchs von Gregor Edelmann („Der letzte Zeuge“) und hat doch Potenzial (21.15 Uhr, ZDF)

VON DAVID DENK

Gregor Edelmann weiß nicht mehr genau, wie viele psychologische Fachbücher er für seine neue Serie „Flemming“ gelesen hat, „ne verdammte Menge jedenfalls“, noch mehr als sonst. Nach der 1999 mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichneten Rechtsmedizinerserie „Der letzte Zeuge“, die von 1998 bis 2007 im ZDF lief, hat der Drehbuchautor ein Thema gesucht, „das mich noch mal so richtig packt und interessiert. Und was es so noch in keiner Serie gibt.“ Fündig geworden ist er bei der Psychologie, beim Wesen des Menschen und seinem Verhalten, das der 55-Jährige nach „unglücklichen Frauenbeziehungen“ noch weniger verstand als ohnehin schon. Es hat sich gelohnt: „Jetzt könnte ich’s erklären, na ja, jedenfalls eher.“ Es blieb ein „Crashkurs“, musste einer bleiben, „denn inzwischen weiß ich, dass Psychologen nicht umsonst acht Jahre studieren“.

Neben der wissenschaftlichen Glaubwürdigkeit sei für ihn bei der Arbeit an den Büchern besonders knifflig gewesen, dass die Hauptfigur Vincent Flemming „nie außerhalb seiner speziellen Intelligenz“ sei. „Der ist immer Psychologe“ – und wird von seiner Umwelt auch immer so wahrgenommen. „Selbst wenn er gar nichts denkt, denkt seine Frau: Was guckt der Kerl schon wieder so? Durchschaut der mich? Und falls ja, wie weit?“

Hauptdarsteller Samuel Finzi kennt diese latente Verunsicherung von sich selbst. Seit er Flemming spiele, überlege er es sich gut, was er einem befreundeten Psychoanalytiker erzählt und was nicht: „An seinem Verhalten mir gegenüber hat sich nichts geändert, aber an meinem.“

Diese Verunsicherung ist ein zentrales Moment von Edelmanns zunächst sechsteiliger Serie, lässt sich Flemmings Frau Ann (Claudia Michelsen) doch im Pilotfilm von ihm scheiden, weil sie das Gefühl ständiger Durchleuchtung nicht mehr erträgt. Los wird sie ihn dadurch aber nicht, denn beruflich bleiben die Getrennten verbunden, sie als Chefin der Mordkommission, er als Kriminalpsychologe, eine klassische Odd-Couple-Konstellation, die Edelmann bewusst gewählt hat: „Nur durch das Verweben von Fachlichem und Privatem kriegen Sie Tempo in die Bücher, werden sie reich und dicht.“

Apropos Tempo: Im Pilotfilm, der neben allerlei zwischenmenschlichen Scharmützeln auch von einer Kindesentführung handelt, prescht die Serie in ihrer bildungsbürgerlichen Ambitioniertheit los und lässt den Zuschauer stellenweise reichlich ratlos zurück, etwa mit hoffnungslos überfrachteten Dialogen. Eine Kinderkrankheit, hoffentlich. Denn „Flemming“ hat Potenzial, Edelmanns spezielle Artifizialität, diese Überhöhung in Sprache und Figurenzeichnung tut dem „SOKO“-überschwemmten ZDF-Programm gut. Immerhin hat der Sender das gemerkt: Edelmann schreibt gerade an der zweiten Staffel.