: Türkisch für Aussteiger
ENDE Die DPA stellt ihren türkischen Dienst ein und ist damit Teil einer traurigen Entwicklung
Ludwigshafen am 3. Februar 2008: Ein von Türken bewohntes Haus brennt. Obwohl die Feuerwehr zwei Minuten nach Alarmierung anrückt und weder Polizei noch Staatsanwaltschaft von einem rechtsextremen Hintergrund reden, wirft die türkische Community den Deutschen vor, den Brand nicht ernst genommen zu haben. In türkischsprachigen Zeitungen heißt es pauschalisierend und ohne jeden Beweis: „Die Spur führt zu den Neonazis“ (Milliyet), „Sie schrieben Hass und zündeten das Haus an“ (Yeni Safak), und „Rassisten richten Massaker in Deutschland an“ (Posta).
Dieser Fall illustrierte vor allem, wie viele Deutschtürken noch in ihrer eigenen Medienwelt leben – mit wenig Sachlichkeit und viel Meinungsmache. Politiker, Sender und Verlage wollten gegensteuern. Das ZDF strahlt seitdem „heute in Europa“ und „logo!“ auch auf EuroD aus, einem Sender, der sich an in Deutschland lebende Türken richtet und von der türkischen Dogan-Gruppe produziert wird. Und auch die Deutsche Presse-Agentur versuchte, türkische Einwanderer mit einem gezielten Angebot zu erreichen.
In diesem Frühjahr erst startete sie einen Dienst, der Nachrichten auf Türkisch verbreitet. Viele davon recherchierten türkische Mitarbeiter direkt in den Communitys vor Ort. Gestern aber resignierte der News-Lieferant: Weil es dafür „derzeit keine tragfähige Nachfrage“ gebe, wird das Experiment zum Jahreswechsel gestoppt. In der Agentur ärgern sie sich darüber, dass die Politik das Projekt lobte, aber keine öffentliche Stelle den Dienst abonnierte, um das Projekt mit diesen Bezugsgebühren zu fördern – sonst eine gängige Finanzspritze bei neuen Projekten der dpa.
2009 ist das Jahr, in dem deutsche Medien Deutschtürken fallen lassen. Zwar ist der Schritt der dpa verständlich, weil sie Gewinne braucht. Anders sieht es bei gebührenfinanzierten Sendern aus, die vom Geld der Allgemeinheit zehren und einem besonderen Auftrag folgen sollen.
Nachdem zum Jahresbeginn erst der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) sein Radio Multikulti auflöste, wurde jetzt bekannt, dass auch der Westdeutsche Rundfunk (WDR) an dem Angebot für türkische Mitbürger auf seinem Funkhaus Europa sparen will. Der Kölner Sender spricht indes nicht von einer Streichung, sondern von einer Verschiebung im Programm – zugunsten anderer Fremdsprachen. Das trifft aber wiederum so oder so auch in der Hauptstadt lebende Türken, denn Funkhaus Europa ersetzt in Berlin inzwischen Radio Multikulti.
DANIEL BOUHS