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Archiv-Artikel

DORIS AKRAP LEUCHTEN DER MENSCHHEIT Es reicht ein Schrauben- zieher

Die Atombombe war nie ein bloßes Abschreckungsmittel im Kalten Krieg

Altnazis, Startbahn West, Waldsterben und atomares Wettrüsten – einem jungen Teenager in den 80er-Jahren erschien die Welt wie ein riesiges Waffenarsenal, das zu explodieren drohte. Mit der Volljährigkeit kam das Ende des Kalten Krieges, und zumindest die Angst vor den Atomwaffen war zunächst gebändigt.

Doch spätestens seit scheibchenweise deutlich wird, wie ernst es dem Iran mit der Herstellung von Atomwaffen ist, und die Sorge wächst, die Taliban könnten Pakistans Armee unterwandern, um an die Bombe zu gelangen, hat das atomare Bedrohungsszenario wieder deutlichere Konturen.

Nun hat Obama vergangene Woche als erster amtierender US-Präsident angekündigt, die von US-Atombomben vernichteten japanischen Städte Hiroschima und Nagasaki zu besuchen. Und dies ist mehr als eine bloß symbolische Geste der Entschuldigung. Es ist das erste offizielle Eingeständnis, dass die Atombombe auch in den Händen der USA nie ein bloßes Abschreckungsmittel im Kalten Krieg war.

Wissenschaftler, die an der Erforschung der Kernspaltung und Entwicklung der Atombombe beteiligt waren, ahnten dies schon früh. Vom Verbleib des sizilianischen Physikers Ettore Majorana, der noch vor Heisenberg die Kernspaltung entdeckte, ist bis heute nichts bekannt. Leonardo Sciascia legt in seinem Buch „Das Verschwinden des Ettore Majorana“ (Wagenbach, 2003) nahe, Majorana habe 1938 aus Angst vor den Folgen seiner Entdeckung sowohl seine Dokumente als auch sich selbst aus der Welt geschafft.

Kai Bird und Martin J. Sherwin zeigen in ihrer gerade auf Deutsch erschienenen, mit dem Pulitzerpreis ausgezeichneten Biografie von „J. Robert Oppenheimer“ (Propyläen, 2009), wie der „Vater der Atombombe“ von seiner eigenen Erfindung zerstört wurde. Der deutsch-jüdische Physiker, in den 40er-Jahren führend an der Entwicklung der ersten Nuklearwaffe beteiligt, gestand noch am Tag der Zerstörung Hiroschimas, seine Erfindung habe sich eigentlich gegen den Furor der Nationalsozialisten gerichtet, sei aber nicht rechtzeitig fertig geworden.

Nach Bekanntwerden der Resultate in Hiroschima wurde Oppenheimer zum körperlichen Wrack, als Sowjetspion verleumdet und musste den Staatsdienst quittieren. Warum? Er hatte einen weiteren militärischen Einsatz der Atombombe abgelehnt. Ein „Schraubenzieher“ reiche aus, um an Atomwaffen zu gelangen. Der „nukleare Terrorismus“ sei nicht aufzuhalten und die ganze Idee der Atombombe „ein Scheiß“.

Die Autorin ist Kulturredakteurin dieser Zeitung Foto: privat