: Masken, Monster, Mutationen
UNHEIMLICH Beim Phantastival im City 46 gibt es einen sowjetischen Science-Fiction-Stummfilm und einen bayrischen Horror-Heimatfilm
VON WILFRIED HIPPEN
Ein Mann wacht in einem leeren, schneeweißen Raum auf. Aus den Wänden wachsen Putten, und nachdem die barocken Engelsgestalten wieder in die weißen Flächen abgetaucht sind, bleiben ihre kleinen Penise zurück. Wenn der namenlose Held auf einen dieser Gipspimmel drückt, erscheint ein für ihn völlig nutzloser Gegenstand im Raum. Wird es ihm gelingen, aus dem Raum zu entkommen, und was haben die Sequenzen von einem mexikanischen Wrestler mit ihm zu tun, zu denen im Film immer abrupt und scheinbar völlig unmotiviert geschnitten wird? „Symbol“ heißt der irrwitzige Film des Japaners Hitoshi Matsumoto, der selbst auf einem dem phantastischen Film gewidmeten Festival bizarr wirkt. Natürlich kann man ihn dem kleinen Subgenre der Geschichten über surreale Gefängnisse zuordnen, das mit der Fernsehserie „The Prisoner“ in den 60er Jahren eine frühe Blüte erlebte und vor kurzem mit „The Cube“ neu belebt wurde. Wie schon in seiner Supermann-Parodie „Der große Japaner“ spielt Matsumoto hier wieder wild mit den Versatzstücken des Unterhaltungskinos. Slapstick mischt sich da mit einer Hommage an Stanley Kubrick, und die Karnevalsstimmung einer mexikanischen Catch-Veranstaltung mit den bunten Manga-Zeichnungen, in denen die Fluchtpläne des Helden dargestellt werden.
Das Bremer Phantastival hat nichts mit der viel kommerzielleren Veranstaltung zu tun, die jedes Jahr in Hamburg, Berlin und München stattfindet und einen sehr ähnlichen (aber anders buchstabierten) Namen trägt. Ein paar von den Filmen waren zwar auch dort schon gezeigt worden, und ein paar andere haben die Bremer Organisatoren nicht bekommen, weil sie in einer ganz anderen Liga spielen. Während es dort einen kostenlosen Hochglanzkatalog gibt, ist hier nicht einmal das Geld für einen ordentlichen Flyer da. Und bei einer Veranstaltung des City 46 dürfen weder ein akademischer Vortrag noch ein thematisch passender Stummfilm fehlen. Und so referiert der Medienwissenschaftler Florian Krautkrämer von der HBK Braunschweig am Samstag um 16 Uhr über „Theorie und Geschichte des Zombiefilms“ (worüber Georg Seeßlen und Markus Metz auf dem Bremer Symposium zum Film schon 2010 einen schönen Vortrag hielten).
Am Samstagabend um 20.30 Uhr wird der Hauspianist Ezzat Nashashibi zusammen mit Marc Pira an diversen elektronischen Instrumenten live die Begleitmusik zu dem Stummfilm „Aelita“ (UdSSR 1924) spielen. Dieser frühe fantastische Film basiert auf einer Geschichte von Alexei Tolstoi und handelt von der Mars-Reise eines Rotarmisten und des ihn verfolgenden Detektivs (Tolstoi hat also bei Jules Verne geklaut). Der selten gezeigte Film kam 2000 auf eine Liste der 33 wichtigsten Science-Fiction-Filme aller Zeiten. Stilistisch war er im Stil des deutschen Filmexpressionismus gehalten, und so kann man sich durchaus fragen,ob er mit seinen heute grotesk anmutenden Kostümen der Marsbewohner nicht etwa solche Großproduktionen wie den zwei Jahre später gedrehten „Metropolis“ sondern eher die Flash-Gordon-Comics und Filme in den 30er Jahren beeinflusst hat.
In vier Tagen werden im City 46 neun Langfilme, ein Manga-Double Feature und ein Kurzfilmprogramm gezeigt. Der in Barcelona geborene Daniel Brühl macht schon seit einiger Zeit in Spanien die, wenn nicht unbedingt erfolgreichere so doch eindeutig interessantere Karriere. Dort stritt er in viel originelleren Film auf, so auch in „Eva“ von Kike Maillo, in dem er einen genialen Kybernetiker spielt, dem es gelingt, einen Roboter zu konstruieren, der von einem menschlichen Kind nicht mehr zu unterscheiden ist.
Eine Besonderheit der Zombiefilme besteht darin, dass es sie in den letzten Jahren in immer seltsameren lokalen Ausprägungen gibt. So folgte auf die schottische Variante („Shawn of the Dead“) eine kubanische („Juan of the Dead“) und „Zombies from Outer Space“ ist schließlich eine bayrische Horror-Komödie, in der außerirdische Leichen in Kornkreisen entdeckt werden und die wirklichen Aliens für die Dörfler amerikanische Soldaten sind. Der Regisseur Martin Faltermeier wird Freitag um 20.30 Uhr seinen Film persönlich vorstellen. Zumindest den schönsten Titel des Festivals hat die japanische Trash-Komödie „Vampire Girl vs Frankenstein“, die (und dies ist für die Liebhaber des Genes sehr wichtig) in der ungekürzten Fassung zu sehen ist.
Zu viele Parodien sind nicht gut für ein Genre, und so gibt es im Programm mindestens zwei Filme, in denen die Filmemacher versuchen, guten alten Schrecken zu verbreiten. „The Whisper in Darkness“ von Sean Branney ist die Adaption einer Geschichte von H.P.Lovecraft, in der alte dunkle Mächte versuchen, die Menschheit ins Unheil zu stürzen. Der Regisseur Sean Branney versucht hier in Schwarzweiß und mit einer Mischung aus historischen und modernen Aufnahmetechniken, den Stil und die Atmosphäre der klassischen Horrorfilme aus den 30er Jahren nachzuempfinden. Der Brite Peter Strickland hat schließlich mit „Berberian Sound Studio“ eine Hommage an die Blütezeit des italienischen Horrorthrillers inszeniert. In den 70er Jahren reist darin ein britischer Tontechniker nach Italien, um für einen jener „Giallos“ an der Tonmischung zu arbeiten. Dabei wird der Horror des Films für ihn immer wirklicher.