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Berliner SzenenBrothunger

Nächtliches Batiken

Neben dem Snack­automat standimmer noch die Frau

Vor ein paar Tagen kam ich kurz vor dem Einschlafen auf die glorreiche Idee, mir als Mitter­nachts­snack eine Scheibe Brot abzuschneiden. Leider war die Konsistenz des Laibes betonartig, sodass das Messer abrutschte und sich eine halbe Fingerbreite in meinen Zeigefinger bohrte. Binnen weniger Sekunden strömte so viel Blut aus der Schnittwunde, dass ich einige Klo­papiermeter in Rot batiken musste.

Ein Krankenhausbesuch schien mir dennoch übertrieben, daher legte ich mich mit meinem Klopapierverband ­wieder ins Bett. Stunde um Stunde, Schmerz um Schmerz vergingen. Gegen 5.30 Uhr war meine schlaflose Geduld am Ende, das Klopapier auf­gebraucht. Ich bestellte miralso ein Taxi und ließ mich über die halbe Stadt hinweg zur Charité chauffieren. Leider erwies sich die Notaufnahme als erneute Geduldsprobe. Ganze zwei Stunden musste ich warten, bis mein Schmerz wahrgenommen wurde. Und Schmerzen machen aus Minuten Stunden.

Die einzige Ablenkung bekam ich durch eine mit sich selbst redende Frau, die ihr Warten mit einer übertriebenen Benutzung des Snack- und Getränkeauto­maten versüßte. Erst zog sie Chips, dann Cola, dann Gummibärchen, dann Kaffee, schließlich Schoko­riegel. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ihr viel zu enges T-Shirt schon vor oder erst nach dem Verzehr bauchfrei war. Als sie den letzten Bissen des Riegels runtergeschluckt hatte, wurde ich endlich aufgerufen und dann schritt ich gespannt in den Behand­lungs­­­raum. Dort bekam ich ein Pflaster. Das war’s.

Eigentlich hätte ich mich freuen müssen, wäre da nicht der ganze Aufwand für nichts gewesen. Frustriert lief ich zum Automaten, neben dem selbst­redend noch die Frau stand, und zog als Trostpflaster einen Schokoriegel. Eva Müller-Foell

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