Traumpaar in der Krise

GRÜNE Eineinhalb Jahre haben die Landeschefs Bettina Jarasch und Daniel Wesener ein sehr harmonisches Bild abgegeben. Jetzt entzweit sie ein neuerlicher Streit über Schwarz-Grün

Die angegriffene Landesvorsitzende schweigt, doch der Streit schwelt weiter: Knapp ein Jahr vor der Bundestagswahl streiten die Berliner Grünen erneut über das Verhältnis zur CDU. Am Mittwoch hatte Dirk Behrendt, Exponent des linken Flügels, Parteichefin Bettina Jarasch vorgeworfen, sie sei „von allen guten Geistern verlassen“. Jarasch hatte zuvor in einem Zeitungsinterview Schwarz-Grün nach der Bundestagswahl nicht ausschließen wollen. Jarasch wollte Behrendts Attacke tags darauf nicht kommentieren.

Die Frage nach Schwarz-Grün, der Gretchenfrage der Grünen, spaltet erstmals das seit März 2011 amtierende Führungsduo des Landesverbands, Jarasch und Daniel Wesener. Skepsis hatte ihren Start vor eineinhalb Jahren begleitet. Der Fraktionschef im Bezirksparlament von Friedrichshain-Kreuzberg und enge Mitarbeiter des Parteilinken Christian Ströbele mit der Reala Jarasch, der Pfarrgemeinderatschefin der katholischen Gemeinde St. Marien Liebfrauen?

Es funktionierte. Jarasch und Wesener führten die Partei durch den Wahlkampf und die nach der verpassten Regierungsbeteiligung aufbrechenden Flügelkämpfe. Beide sprengten vermeintliche Schubladen: Jarasch war genauso wenig Kirchentante wie Wesener linker Ideologe. Dass Jarasch einem Bündnis mit der CDU offener gegenüber stand als Wesener, war bekannt und behinderte das harmonische Erscheinungsbild nicht.

Ein Jahr vor der Bundestagswahl geht es jetzt aber offenbar darum, Pfeile einzurammen. Eine Debatte über Schwarz-Grün „torpediere das gemeinsame Ziel einer rot-grünen Regierung“, hielt Wesener seiner Ko-Chefin vor. Derart scharfe Äußerungen erinnern daran, wie sich Wesener bei einem Parteitag Ende 2009 heftig mit dem damaligen Fraktionschef Volker Ratzmann stritt. Der wollte – wie heute Jarasch – nicht allein auf die SPD festgelegt sein. „Wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht“, warf ihm Wesener deshalb vor.

Rückfall in alte Zeiten

Behrendt fällt mit seinem Angriff auf Jarasch in überwunden geglaubte Zeiten der Spaltung Ende 2011 zurück, als er sich mit Ratzmann so sehr stritt, dass ihm ein flügelloser Abgeordneter vorhielt, Behrendt führe einen „Vernichtungsfeldzug“. Bei einem zur Versöhnung angesetzten Sonderparteitag im Januar bat Behrendt all jene um Entschuldigung, „denen ich Wunden geschlagen habe“.

Wesener hatte als ein Argument gegen Schwarz-Grün am Mittwoch behauptet, das Anbändeln mit der CDU habe den Grünen im Abgeordnetenhauswahlkampf 2011 geschadet. Jarasch sagte der taz, dass es dafür im Landesverband keine Faktengrundlage gebe. „Zahlen haben wir nicht erhoben“, sagte sie der taz am Donnerstag. Und von Mitgliedern gebe es sowohl Aussagen zur Wesener-Position wie zu jener, Künasts Absage an eine Koalition mit der CDU kurz vor der Wahl habe die Partei entscheidende Prozentpunkte gekostet.

STEFAN ALBERTI