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Archiv-Artikel

Grüner Nachwuchs will mitspielen

Alle wichtigen Grünen-Ämter werden an Um-die-50-Jährige vergeben, beklagt die Fraktions-Jugend. Sie verlangt nun wenigstens Vizeposten. Denn Jugend, das heiße: andere Interessen, andere Kommunikation und andere Außenwirkung

VON ULRIKE WINKELMANN

Der Nachwuchs der Grünen-Fraktion im Bundestag ist unzufrieden. Nicht darüber, dass die Fraktion nun mit Renate Künast und Fritz Kuhn zwei allseits anerkannte Vorsitzende hat. Sondern damit, dass bei der grünen Postenvergabe bislang die Generation unter 50 Jahren nicht zum Zuge kommt. Der bisherige Staatssekretär im Künast-Ministerium, Matthias Berninger, schnaubte gestern: „Selbst Joschka Fischer hat eingesehen, dass man nicht über 50 und trotzdem jung sein kann.“

Fischer, noch Außenminister, hatte vergangene Woche erklärt, dass er die Oppositionsführung nicht übernähme. Der taz sagte er: „Das rot-grüne Kapitel, das meine Generation geschrieben hat, ist zu Ende. Das neue Kapitel müssen die Jüngeren schreiben, vor allem die unter 40-Jährigen.“

Am Dienstag nun wählte die Fraktion Kuhn (50) und Künast (49) zu Fraktionschefs. Volker Beck (45) wurde als Parlamentarischer Geschäftsführer bestätigt. Niederlagen nahmen die bisherige Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt (39) hin, die gegen Kuhn antrat, und Berninger (34), der Beck ablösen wollte.

Berninger sagte gestern: „Der Fraktion war der Burgfrieden wichtiger als die Einbindung der Jugend.“ In der Fraktion hätten die „Realos“ alias „Reformer“ die große Mehrheit. Doch die Ämter würden immer auch mit „Linken“ besetzt, um neuen Flügelkämpfen vorzubeugen.

Berninger versicherte, es gehe den Jüngeren nicht bloß um Posten. Doch hätte die Fraktion ihren Aufbruch in die Opposition auch dadurch markieren können, dass sie „die Sicht der Jüngeren auf die Welt“ stärker würdigt. So gehe der Nachwuchs unbefangener mit Familienpolitik um. In der Rentenfrage vertrete er eigene Interessen.

Grietje Bettin (30) sagte: „Die Verdienste der Älteren stehen außer Frage.“ Auch könne man nicht einfach sagen: „Ich bin jung und deshalb will ich.“ Der Faktor „Jugend“ müsse aber gewürdigt werden. Er stehe für andere Kommunikationsweisen: „Jüngere kommen zu eigenen Einschätzungen, auch weil sie leichter über Parteigrenzen hinweg vermitteln können.“ Außerdem profitierten die Grünen von einer jugendlichen Anmutung: „Junge Leute suchen eigene Identifikationsfiguren“, sagte Bettin.

Sie verlangt mit dem Rest der Fraktionsjugend, dass die Fraktionsspitze ein „Gesamttableau“ vorlegt, wie und wo sie Abgeordnete bis 50 Jahren unterzubringen gedenkt. Zu vergeben sind noch die „Sprecher“-Posten sowie die Fraktionsvize-Ämter, die an die Arbeitskreise gekoppelt sind. Die geschlagene Göring-Eckardt soll allerdings erklärt haben, sie wolle entweder Chefin bleiben – oder gar nichts. Doch steht ja auch noch die Wahl zur grünen Vize-Bundestagspräsidentin aus. Hierfür vergrößert sich der Reigen der Kandidatinnen stetig.

Der grüne Nachwuchs außerhalb der Fraktion allerdings blieb gelassen: Kuhn und Künast seien „kein grüner Neuanfang. Aber der stand am Dienstag auch nicht zur Wahl“, sagte der Sprecher der Grünen Jugend Stephan Schilling (22). „Der Generationenbegriff wird oft benutzt, um Legitimität zu beschaffen.“ Doch nicht der Jugendbonus solle entscheidend sein, sondern der politische Inhalt.

Der Lieblingskandidat der Grünen Jugend wäre ohnehin Noch-Umweltminister Jürgen Trittin (51) gewesen. Doch der unterlag gegen Künast. Dafür durfte er gestern mit dem Segen des Bundeskanzlers Gerd Schröder Künasts Amtsgeschäfte als Verbraucherminister übernehmen.