: Hilfe für die Jugendhilfe
Der Streit um die Kürzungen bei der Jugendhilfe spitzt sich zu: Die Linkspartei will sie „überprüfen“. Grüne sprechen von einer „Katastrophe für Jugendliche“. Aktionstag des Wohlfahrtsverbandes
VON VERONIKA DE HAAS UND ALEXANDRA MÜLLER
Für die Gegner der geplanten Kürzungen im Jugendhilfeetat war gestern ein guter Tag: Die Linkspartei.PDS-Fraktion signalisierte, dass entsprechende Pläne von ihr nicht kampflos im Abgeordnetenhaus abgesegnet werden. Die jugendpolitische Sprecherin Margrit Barth bezeichnete die Streichungen als „problematisch“ und will sie „auf den Prüfstand stellen“. Gerade in Berlin, der Stadt mit der bundesweit höchsten Kinderarmut, müssten „notwendige Hilfen“ gewährleistet werden.
Hintergrund ihrer Kritik sind die geplanten Einsparungen von 33 Millionen Euro bei den Hilfen zur Erziehung im Doppelhaushalt 2006/07. Standen 2005 noch 323 Millionen Euro zur Verfügung, sollen es nach dem Willen der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport 2007 nur noch 290 Millionen sein. Dies würde zusammen mit den Kürzungen seit 2002 eine Reduzierung um 40 Prozent bedeuten.
Eine untragbare Situation, urteilt die Liga der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege. Laut deren Sprecherin Elfi Witten ist mit dem Etat von 2005 „die Talsohle erreicht. Jetzt muss Schluss sein.“ Für Kinder, deren Eltern sich wegen Armut, Depressionen oder Alkoholismus nicht um sie kümmern könnten, für minderjährige Mütter ohne Familienanschluss und Jugendliche ohne Ausbildungsplatz müsse weiterhin gesorgt werden. „Sie haben einen Anspruch auf Hilfe und Förderung“, sagte Witten.
Auf die prekäre Lage vieler Projekte machte gestern ein Aktionstag der Liga unter dem Motto „Glücksspiel Zukunft – Kinder- und Jugendhilfe sichern“ aufmerksam. Über 100 Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe – darunter Kriseneinrichtungen, betreute Jugendwohnprojekte, Schulstationen – protestierten in allen Bezirken gegen die geplanten Kürzungen (siehe auch Text unten). Zudem informierten sie über ihr Angebot und die Bedeutung ihrer Arbeit. Letzteres sei besonders wichtig, so Witten, denn oftmals wüssten Familien nicht, dass sie das Recht auf Hilfe hätten, wenn sie in Not seien.
Dass die Linkspartei.PDS nun „umzuschwenken scheint“, nachdem sie seit 2002 den Reformkurs des Senats mitgetragen hatte, hält die Liga-Sprecherin für „sehr wichtig“. Den Politikern werde langsam klar, dass „das ungeheure Einsparen das Fass zum Überlaufen“ bringe. Die sich häufenden Meldungen über Kindesmisshandlungen und der Mord an einem Kind durch einen 16-Jährigen in Zehlendorf im August hätten traurigerweise geholfen, den Denkprozess anzuregen. „Aber wir wollen nicht noch mehr tote Kinder“, sagt Witten.
Nun erhofft sich die Liga eine parlamentarische Mehrheit gegen die Kürzungen. Unterstützung kommt auch von den Grünen. Deren jugendpolitische Sprecherin Ramona Pop kritisierte die Sparmaßnahmen als „Katastrophe für die Jugendlichen“. Seit 2002 würde planlos gekürzt und Hilfe erst gewährleistet, wenn es fast zu spät sei.
Die zuständige Senatsverwaltung sieht keinen Korrekturbedarf. Schließlich würden einige Bezirksämter bereits jetzt weniger ausgeben, als ihnen für die Jugendhilfe zur Verfügung stünde, so Sprecher Kenneth Frisse. Die Berechnungen orientierten sich an den Familien, die ein Recht auf Unterstützung hätten. „Die sollen sie auch bekommen.“ Im November soll das Abgeordnetenhaus den Haushaltsentwurf beschließen.