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Archiv-Artikel

Arbeitskosten legen ausnahmsweise zu

LÖHNE Seit Jahren wuchsen deutsche Arbeitskosten langsamer als im europäischen Durchschnitt. 2011 war es andersherum, so eine Studie. Doch besonders Dienstleistungen sind hierzulande billig zu haben

BERLIN taz | Die Arbeitskosten für Deutschlands Privatwirtschaft sind 2011 zum ersten Mal seit Jahren stärker gestiegen als im europäischen Durchschnitt. Während sie hierzulande um 3 Prozent zulegten, waren es im EU-Durchschnitt 2,7 Prozent. Das ist das Ergebnis einer Auswertung europäischer Statistiken, die das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) am Montag in Berlin präsentierte.

30,10 Euro brutto kostete hierzulande eine Arbeitsstunde inklusive Lohnnebenkosten im Schnitt. Damit belegte Deutschland Platz 7, hinter Ländern wie Frankreich, Dänemark oder Belgien, das mit 39,30 Euro die Tabelle anführt.

Gustav Horn, Direktor des IMK, begrüßte diese Entwicklung – und würde sie gerne fortschreiben, um die Ungleichgewichte im Euroraum abzubauen. „Ein Lohnanstieg um 3 bis 3,5 Prozent im Jahr würde auf den richtigen Pfad führen“, sagte Horn. Deutschland könne sich höhere Löhne leisten.

Jahrelang blieben die Arbeitskosten wie auch die Lohnstückkosten, also die Arbeitskosten im Verhältnis zur Produktivitätsentwicklung, weit hinter dem europäischen Durchschnitt zurück. Während in Deutschland die Lohnstückkosten von 2000 bis 2011 im Schnitt jährlich um 0,7 Prozent stiegen, waren es im Euroraum 1,8 Prozent. So konnte Deutschland zwar billiger exportieren – vertiefte jedoch mit dem wachsenden Exportüberschuss die Kluft zu anderen Euroländern.

Spielraum für höhere Löhne gibt es vor allem im Dienstleistungssektor. Denn in keinem anderen Land ist der Lohnabstand zwischen Industrie und Dienstleistung so groß wie in Deutschland. Er beträgt knapp 20 Prozent. Während im verarbeitenden Gewerbe im Schnitt 34,30 Euro pro Stunde gezahlt werden, sind es im Dienstleistungssektor 27,50 Euro. Die Industrie kann so besonders billig Vorleistungen einkaufen. Die Löhne in den Dienstleistungen sind unter anderem deshalb so niedrig, weil Deutschland im Gegensatz zu vielen EU-Ländern keinen allgemeinen Mindestlohn besitzt.

Gesunken sind in der Krise vor allem die Lohnstückkosten in Irland, Spanien und Portugal. Sie stünden nun, so Horn, „über die Zeit der Währungsunion gerechnet in Einklang mit dem Inflations- und Stabilitätsziel der Europäischen Zentralbank von knapp 2 Prozent pro Jahr“. Um diese Linie zu erreichen, „müssten die deutschen Löhne eigentlich um rund 16 Prozent höher liegen als heute“, so Horn. VOE