: Ein grüner Rausch
ANNÄHERUNG Der dänische Künstler Per Kirkeby hat eine intensive Bildsprache für die nordische Natur gefunden. Dennoch ist seine Malerei schwer zu deuten, wie derzeit eine Ausstellung in Wedel zeigt
Per Kirkeby
Durch alle drei Erdgeschossräume geht der Blick und alles ist grün. Selbst die inmitten der Raumflucht des Wedeler Museums stehende Bronze wirkt in dem von den Bildern reflektierten Licht grünlich. Und sie hat eine Oberfläche, die genau wie bei den Naturstimmungen vermittelnden Bildern die Struktur pastos aufgetragener Farbe hat.
Der 1938 in Kopenhagen geborene Künstler Per Kirkeby, eigentlich als Geologe ausgebildet, hat sich von wilden Anfängen in der dänischen Fluxus-Szene und jahrzehntelangen Professuren in Deutschland zu einem grandios traditionellen Maler entwickelt, der eine ganz besonders intensive Bildsprache für die nordische Natur gefunden hat. Den Begriff Landschaftsmalerei aber mag er nicht besonders, obwohl fast alles auf seinen Bildern von Gesteinsformationen und Wasser, von farbigen Gräsern und knorrigen Ästen abgeleitet ist.
Doch was zeigen dann diese intensiven und dicht geschichteten Malereien? In Grün und Braun scheint ziemlich zentral ein gelb-weißes Leuchten auf: Ein Frauenkörper? Eine Holzstele? Ein Tor? Ein Wasserfall? Das bleibt der Fantasie überlassen. Genauso wie die Frage, in welchen Raum dieses Bildfenster blicken lässt: In eine wilde Gebirgslandschaft oder in eine doch figürlich gedachte Szene, in ein Traumbild oder ganz prosaisch in eine Kulisse aus Ölfarbe.
Mit rund fünfzig Gemälden aus dreißig Jahren, mit Zeichnungen und zahlreichen Skulpturen bietet diese Ausstellung einen wunderbaren Einstieg in die Welt dieses zu recht berühmten Künstlers. Auch die sich einer schnellen Betrachtung ebenfalls entziehenden Bronzen verdienen einen intensiven Blick. So massiv sie in ihrer Gewichtigkeit sind, so vage bleiben sie in der Deutung. Ihre durchweg raue, an kräftige Pinselstriche erinnernde Oberfläche umschließt stark abstrahierte Körperformen. Ein wenig erinnern diese Plastiken an die anthropomorphen „Gelehrten-Steine“ der Chinesen: sie sind hinreichend fremd, um sie immer wieder neu zu befragen.
Es ist legitim, auch die meist unbetitelten Bilder frei zu interpretieren. Ein Bild zeigt deutlich erkennbar einen Baum mit Ästen, hochkant. Aber stellt man sich vor, das Bild in die Waagerechte zu drehen, wäre es ein Acker und eine Wiese und ein Waldrand. Wenn das suchende Auge in der Fläche der Malerei einen Raum und Dinge entdeckt hat, beispielsweise eben eine Landschaft, ist ja noch nichts zufriedenstellend erschlossen. Welche weiterführende Bedeutung können diese erkannten Strukturen haben? Der Künstler hat im wirklichen Wald die Formen und im Laufe der Jahreszeiten die Farben gefunden, die er für übertragungswert befunden hat. Zur Notwendigkeit des Malens sagt Per Kirkeby, der auch dichterische Texte und solche über Malerkollegen schreibt: „Das Bild übertrifft die poetische Metapher, die ich im Kopf habe.“
Ein bloßes Wiedererkennen ist aber nicht genug. Obwohl auch das schon einiges Vergnügen bereitet: Das Ernst Barlach Museum in Wedel ist ja nicht nur ein Bürgerhaus, es ist auch ein sehr bürgerliches Museum. Da stehen noch ein Flügel und große Blumensträuße in der Ausstellung. Und selten passte das so gut wie jetzt zu Kirkeby: Eine Gladiole, rot, mit zwei großen Zweigen kombiniert, zeigt Formen und Farben, die gleich dahinter an der Wand zu einem Bild geronnen scheinen – was ist wessen Vorbild? Wurden die Blumen wie das Bild arrangiert oder war ein ähnlicher Strauß einst Vorbild?
Doch so idyllisch sind die meisten Bilder nicht. Da gibt es welche, Gelb mit Schwarz in Grün, deren geradezu irres Leuchten die Vorstellung von Elmsfeuern, Blitzen in später Nacht oder Geistererscheinungen im Moor wachruft. Und andere, mit mehr Zinnober, beziehen sich auf Vorbilder in der Kirchenmalerei der Renaissance, ja auch das kommt vor.
Aber es ist schwer, diese Bilder zu beschreiben, auch für den Künstler selbst: „Ich bin Maler und habe ein Bild gemalt. Und mehr möchte ich dazu wirklich nicht sagen. Ein Bild erschließt sich nicht aufgrund seines Titels oder aufgrund von Erklärungen, sondern man hat sich damit abzufinden, dass es ‚angeschaut‘ werden muss.“ Das ist in der Tat nur zu empfehlen. HAJO SCHIFF
bis 10. Februar 2013, Ernst Barlach Museum, Wedel