LeserInnenbriefe
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Totgeschwiegenes Thema

betr.: „Über Rassismus reden“, taz vom 17. 1. 17

Es wird Zeit, der taz ein großes Lob dafür auszusprechen, dass sie gerade jetzt das Thema Rassismus in Deutschland so konsequent und regelmäßig aufgreift und diskutiert. Seit Wochen freue ich mich darüber, dass jeden Dienstag ein weiterer Artikel in der Reihe „Über Rassismus reden“ erscheint und regelmäßig Leser*innen dazu animiert, einen Brief zu schreiben – ein Beleg dafür, dass eine offene Diskussion über Rassismus dringend erforderlich ist.

Seit vielen Jahren wird das Thema totgeschwiegen und fand weder nach den Brandanschlägen und Angriffen auf Migrant*innen in den 90er Jahren noch nach den NSU-Morden, um nur die markantesten Ereignisse zu nennen, ein nachhaltiges Echo in den Medien, obwohl auch damals schon deutlich wurde, wie tief verwurzelt rassistisches Gedankengut in der Gesellschaft ist. Umso wichtiger, dass die taz sich dieses Themas annimmt zu einer Zeit, in der rechte Bewegungen in Deutschland und der Welt im Aufwind sind und damit Rassismus wieder salonfähig wird. Die Berichterstattung über „die Flüchtlingskrise“ in Verbindung mit der Angst vor dem islamistischen Terror ist kaum auszuhalten, heizt sie doch täglich die Stimmung an und schürt die Angst vor allem Fremden. Damit nimmt auch der alltägliche Rassismus in der Gesellschaft zu, wie Betroffene in „Schwarzweißland“ (taz vom 12. 1. 17) beispielhaft und eindrucksvoll beschreiben. Vorhanden war der allerdings schon immer, wenn auch vielleicht subtiler und nicht so offen und allgegenwärtig.

Genauso wichtig wie diese Debatte über Rassismus ist die konsequent kritische Berichterstattung zum Vorgehen der Polizei in Köln. Ihr habt Euch nicht beirren lassen, als ein wahrer Shitstorm über Simone Peter hereinbrach nach ihrer berechtigten Frage nach der Angemessenheit des Polizeihandels und alle Mainstream-Medien in Übereinstimmung mit der Politik sich darüber ereiferten, wie man überhaupt Zweifel an den Sicherheitskräften haben und von Rassismus sprechen könne. Inzwischen hat sich herausgestellt, wie berechtigt die Kritik war. Macht weiter so und treibt dieses drängende Thema voran: Ihr leistet damit einen wichtigen Beitrag zum Erhalt einer offenen, multikulturellen und freiheitlichen Gesellschaft und unterstützt diejenigen, die den neuen Trend nach rechts nicht mittragen wollen, aber kaum noch Gehör finden. SABINE HUMUZA, Bochum

Offen sprechen

betr.: „Nahost-Konflikt an der FU Berlin“, taz vom 18. 1. 17

Es ist mir unbegreiflich, dass das Otto-Suhr-Institut Anwürfe aus dubiosen Quellen zum Anlass nimmt, sich von einer Dozentin zu trennen. Dass in einem Seminar, in dem es um Kapitalismus und Rassismus geht, auch Antisemitismus zur Sprache kommt, ist doch verständlich, dass aber in einer Universität „Israelkritik und Antisemitismus“ gleichgesetzt wird, erschüttert mich doch sehr. Das gerade wir als Deutsche mit den Juden besonderes Fingerspitzengefühl haben sollten, halte ich für selbstverständlich. Aber Israelkritik ist kein Antisemitismus. Wenn wir die israelische Regierung nicht kritisieren dürfen, wäre es schlimm, weil wir zu Israel doch ein besonderes Verhältnis haben beziehungsweise haben sollten. Gerade deshalb müssen wir als Freunde offen miteinander sprechen. Bei jedem anderem Land, mit dem wir ein gutes Verhältnis haben, sagen wir doch auch, was wir für falsch halten. Viele Israelis halten das Tun der Regierung doch auch für falsch. Ob es nun der Siedlungsbau ist, der Umgang mit den Palästinensern beziehungsweise die nicht Anerkennung von Palästina sowie das Ignorieren von UNO-Beschlüssen. Jedes andere Land würde deshalb von uns zu recht kritisiert werden. GÜNTER LÜBCKE, Hamburg

Kein beispielloser Vorfall

betr.: „Seltsame Querfronten“, taz vom 18. 1. 17

Nein, beispiellos ist der Vorfall nicht: Die Liste der Beispiele aus jüngster Zeit ist lang, bei denen Universitätsgremien (Bochum, Freiburg, Kiel) oder Stadtverwaltungen (Bremen, Heidelberg, Köln, München) Diskussions- und Informationsveranstaltungen zum Thema Palästina/Israel – auch erfolgreich – zu verhindern suchten, weil von außen – israelischer Botschafter, Zentralrat der Juden, jüdische Ortsgemeinden, Agenten der Jerusalem Post, Deutsch-Israelische Gesellschaften – Antisemitismusvorwürfe erhoben wurden. Die Deutungshoheit über den Begriff „Anti­semitismus“ wird dabei den Anklagenden zugestanden, die ihn völlig unzulässigerweise oft mit Israelkritik gleichsetzen. Der Begriff wird in Forschung und Diskussion dann gern mit ­Adjektiven wie „unbewusst“, „unterschwellig“, „sekundär“, „verdeckt“ garniert, was dem „Angeklagten“ einen Gegenbeweis unmöglich macht. GEORG FRITZEN, Düren

Rücksichtslos und schäbig

betr.: „Die Kunst des unfairen Deals“, taz vom 17. 1. 17

Man kann nur den Kopf schütteln über das skrupellose Verhalten der EU. An deren Fischereiverträgen mit afrikanischen Staaten kann man sehen, dass es der EU ausschließlich um eigene Vorteile geht, ohne Rücksicht auf die Lebensgrundlage der einheimischen Fischer, die sich dann oft genug auf den Weg nach Europa machen. Und so kann man davon ausgehen, dass das Freihandelsabkommen mit der EAC (Ostafrikanischen Gemeinschaft) wieder nur vor allem der EU nützen soll. Warum sonst muss man auf Erpressung zurückgreifen (Drohung mit der Kürzung von Entwicklungshilfe)? Dieses Verhalten ist rücksichtslos, am Ende schädlich für alle und einfach nur schäbig!

FRANK STENNER, Cuxhaven