: Bitte wählen Sie Ihren Bürgermeister!
Jens Böhrnsen und Willi Lemke sind die beiden Kandidaten für die Nachfolge Henning Scherfs, die der SPD-Landesvorstand den SPD-Mitgliedern zur Auswahl stellt. Bis Mitte Oktober werden beide für sich werben. Wer überzeugt mehr? Wählen Sie selbst
„Ein Weiter so kann es nicht geben.“
taz: Warum sind Sie der richtige Kandidat?
Jens Böhrnsen: Ich habe nach sechs Jahren im Amt des SPD-Fraktionsvorsitzenden eine klare Vorstellung davon, wie wir für Bremens Zukunft angesichts der großen Zäsur, die der Rücktritt des Bürgermeisters, aber auch das Ende der Sanierungszahlungen und das Zerplatzen des Traumes des Kanzlerbriefes mit sich bringen, eine neue Perspektive gewinnen können.
Ihr größter politischer Erfolg der letzten Jahre?
Ich habe dazu beigetragen, dass in der großen Koalition eine vernünftige Arbeit geleistet worden ist, dass aber die große Koalition die Gegensätze zwischen CDU und SPD nicht durch Formelkompromisse verwischt hat. Die SPD-Fraktion hat dazu beigetragen, dass die sozialdemokratische Handschrift und Position in dieser Koalition deutlich geworden sind. Zum Beispiel bei der Frage, welche Schwerpunkte wir trotz rigider Sparpolitik setzen wollen.
Ist das ein attraktiver Job im Rathaus?
Es gab Zeiten, da hätte man die Ehre, die mit der Übernahme eines Bürgermeisteramtes sicher verbunden ist, in den Vordergrund gestellt. Die Herausforderung, die nicht nur als Nachfolger Henning Scherfs, sondern vor allem wegen der existenzbedrohlichen Lage Bremens auf den neuen Präsidenten des Senats zukommt, ist immens.
Was wollen Sie anders machen als Ihr Vorgänger?
Wir stehen an einer Zäsur der bremischen Politik. Wir müssen etwas anders machen. Ein Weiter so kann es nicht geben. Nach dem Ende der Sanierungszahlungen mit dem Jahr 2004 und dem zerplatzten Kanzlerbrieftraum fehlen uns 500 Millionen Euro im Haushalt, die wir eingeplant hatten. Bremen steht vor einem gewaltigen Schuldenberg …
Können Sie drei Politikbereiche oder Projekte nennen, in denen Bremen mehr sparen müsste als bisher?
Ich bin sicher, dass wir die Investitionsausgaben im bisherigen Umfang nicht aufrechterhalten können. Bremen liegt bei 219 Prozent im Vergleich zum Durchschnitt der anderen Länder. Mit einer solchen Quote werden wir auch in einem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht Schwierigkeiten bekommen. Wir können uns manches – ich denke an den Verkehrsbereich oder das Überangebot an Gewerbeflächen – im bisherigen Umfang nicht mehr leisten. Im bremischen Verwaltungsaufbau mit unseren GmbHs werden wir manches verändern und straffen müssen.
Für welchen Bereich würden Sie vielleicht sogar mehr Geld ausgeben als bisher geplant?
Für Kinderbetreuung, Bildung und Ausbildung, Investitionen in Arbeitsplätze.
Interview: KAWE
„Man muss auch Nein sagen können.“
taz: Warum sind Sie der richtige Kandidat?
Willi Lemke: Ich habe in den drei größeren Tätigkeitsbereichen in meinem Leben – als Parteisekretär hier in Bremen, als Werder-Manager und als Bildungs- und Wissenschaftssenator – jeweils die Herausforderungen, die vor mir standen, meistern können. In völlig unterschiedlichen Bereichen.
Ihre größten politischen Erfolge in den letzten Jahren?
Eindeutig die Einführung der verlässlichen Grundschule. Stimmungswandel an unseren Schulen. Dass gezielter gefördert wird, effizienter gearbeitet wird. Da habe ich ganz viel bewegt.
Ist das ein attraktiver Job im Rathaus?
Nein. Das ist allerhärteste Arbeit. Aber die Herausforderung kommt auf einen von uns beiden zu, und ich stelle mich dieser Herausforderung, weil ich glaube, dass ich es kann.
Wenn es Böhrnsen werden würde – würden Sie aus dem Senat ausscheiden?
Nein. Wir sind seit fünf, sechs Jahren in engem Kontakt. Ich bleibe Bildungs- und Wissenschaftssenator und er kann ganz sicher sein, dass ich ihn nach Kräften unterstützen würde, wenn er das werden würde.
Was wollen Sie anders machen als Ihr Vorgänger?
Ich bin immer ein Scherf-Freund gewesen, er hat mich 1975 als Parteisekretär ausgeguckt. Was will ich anders machen? Es ist wichtig, dass die Bevölkerung deutlicher ein sozialdemokratisches Profil in unserer Regierungsarbeit spürt. Angesichts der vielen Probleme, die wir haben, müssen wir die Menschen überzeugen, auch schwierige Aufgaben offensiv angehen. Ich werde ein schärferes Auge auf die Frage haben, was wir uns erlauben können und was nicht. Man muss auch Nein sagen können.
Wo würden sie vielleicht Nein sagen?
Ein Kunsthallenausbau ist toll. Aber da dürfen angesichts der katastrophalen Haushaltslage keine staatlichen Mittel einfließen.
Wo würden Sie deutlicher als bisher sparen?
Natürlich bei der Wirtschaftsförderung. Investitionshilfen. Da muss bei jeder Maßnahme überprüft werden, ob wir dabei Arbeitsplätze schaffen. Gibt es Drittmittel? Oder sollen wir das nur machen, damit die Innenstadt noch mehr Marmor erfährt? Ich kann nicht den Ärmsten der Armen den Möbelwagen vor die Tür schieben und gleichzeitig überlegen, wie ich die Innenstadt noch weiter herausputzen könnte. Ich habe immer gesagt: Ich finde es nicht schlecht, wenn Eltern mit anpacken, wenn es darum geht, die Klassenzimmer neu zu streichen. Gleichzeitig müssen wir jedes Projekt, auch Prestigeprojekte, überprüfen. Interview: KAWE
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