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Archiv-Artikel

Der Verdacht fällt sofort auf Jemaah Islamiyah

Die so genannte Islamische Gemeinschaft hat sich von der Rolle als regionale Nebenstelle al-Qaidas verabschiedet

BERLIN taz ■ Für Terrorismusexperten tragen die Anschläge die Handschrift der islamistischen Terrorgruppe Jemaah Islamiyah (JI – „Islamische Gemeinschaft“): „JI ist die einzige Gruppe mit dem Willen und der Fähigkeit, Anschläge auf Bali so koordiniert durchzuführen“, meint Rohan Gunaratna, der in Singapur das Zentrum für Politische Gewalt und Terrorismusforschung leitet.

Seit 2002 wurden in Indonesien, Malaysia, Singapur und den Philippinen etwa 300 mutmaßliche JI-Mitglieder festgenommen. 50 wurden bisher verurteilt, davon 5 wegen der Anschläge auf Bali im Oktober 2002 zum Tode.

JI wurde durch die damaligen Anschläge mit 202 Toten international bekannt. Die Gruppe zielte seitdem regelmäßig mit sonst in Indonesien unüblichen spektakulären Selbstmordanschlägen auf westliche Ausländer; so bei den Anschlägen auf das Marriott-Hotel in Jakarta im August 2003 (12 Tote) und auf die australische Botschaft in Jakarta im September 2004 (10 Tote). Hauptopfer aber waren wie jetzt wieder Indonesier. Insgesamt werden JI seit 1999 rund 50 Anschläge zur Last gelegt.

Die Gruppe kämpft für ein Kalifat, das von Südthailand über Malaysia, Singapur und Indonesien bis zu den Philippinen reicht. JI gilt als regionaler Ableger von al-Qaida. Die Verbindungen gehen auf gemeinsame Kampfzeiten einiger Schlüsselpersonen in Afghanistan in den 80ern und 90ern zurück. Zu ihnen gehört Riduan Isamuddin alias Hambali. Der im August 2003 in Thailand verhaftete Indonesier galt als einer der wenigen Nichtaraber im Führungszirkel al-Qaidas und als einer der wichtigsten militärischen JI-Führer. An einer Islamschule in Malaysia hatte er den indonesischen Geistlichen und mutmaßlichen JI-Gründer Abu Bakar Baschir kennen gelernt. Baschir wurde nach den Bali-Anschlägen 2002 verhaftet. Indonesiens Justiz konnte ihm eine Rolle in JI nicht nachweisen. So wurde Baschir nur wegen geringfügiger Vergehen verurteilt und muss bald wieder freigelassen werden.

In der zweiten Hälfte der 90er rekrutierte JI in Südostasien eigene Kämpfer und trainierte sie nach Angaben von Geheimdiensten auf der südphilippinischen Insel Mindanao im damaligen Hauptquartier der sezessionistischen Moro Islamic Liberation Front (MILF). Inzwischen mehren sich die Zeichen, dass es – wohl auch wegen Verhaftungen – innerhalb der JI zu einem Wechsel kam. Sidney Jones, Indonesien-Expertin der International Crisis Group, vermutet, dass die Gruppe neue Kämpfer aus dem Umfeld des religiös gefärbten Konflikts in den Molukken anwarb. Die beiden flüchtigen JI-Führer Asahari bin Husin und Noordin Mohammed Top hätten aus jungen Veteranen lokaler muslimisch-christlicher Konflikte eine neue Gruppe namens Thoifah Muqatilah („Kampfeinheit“) geformt. Ob diese nur eine JI-Unterabteilung sei oder völlig unabhängig operiere, sei ebenso unklar wie die Frage, ob sie jetzt hinter den jüngsten Anschlägen stecke. SVEN HANSEN