„Förderung birgt Risiko“

KULTUR Jochen Bonz soll den Grünen auf deren Wunsch kulturpolitisch die Leviten lesen

■ 43, Kulturwissenschaftler, lehrt als Privatdozent an der Uni.

taz: Herr Bonz, haben Sie schon mal jemandem die Leviten gelesen?

Jochen Bonz: Ja. Meinen Töchtern. Da ist das schon mal vorgekommen.

Und jetzt müssen Sie der Bremer Kulturpolitik und besonders ihrer grünen Spielart die Leviten lesen?

Das ist schwer zu sagen.

Laut Ankündigungstext ist das heute Abend Ihre Aufgabe …

Ich sehe meine Rolle bei dem Abend als die des Kulturwissenschaftlers: Mein Referat wird zunächst auf den Wandel des Kulturbegriffs eingehen. Und da sind die Grünen eine interessante Partei.

Warum?

Weil sie hier in Bremen die bürgerliche Partei schlechthin sind. Das Bürgertum hat sich immer über sein Verhältnis zur Kultur definiert – wobei es früher seine Subjektivität in Kultur reflektiert hat. Jetzt ist es eher so, dass wir eine Kultur der Lebensstile haben, also eine, die stärker als Identifikations-Angebot fungiert.

Sollte sich Politik da überhaupt einmischen?

Sie sollte schon Geld dafür ausgeben.

Eher auf dem Wege von Projektförderung?

Meistens ist das wahrscheinlich das geeignete Instrument. Wobei es eben auch wichtig ist, für diese Form der Kultur Orte zu etablieren und zu schützen: In Martin Hellers Kulturhauptstadtbewerbung war das das Konzept der Brutstätten, und davon ist ja einiges geblieben, etwa im Güterbahnhof. Allerdings birgt auch diese Art der Förderung ein Risiko.

Welches?

Es wird etwas gefördert, nur weil es nun einmal da ist. Die Weserburg zum Beispiel, da dachte ich auch vor 20 Jahren – ein Sammlermuseum, das ist eine gute Idee. Ich denke, wenn etwas nicht funktioniert, muss Kulturpolitik auch den Mut haben, es aufzugeben.

Kulturpolitik wäre also zu zögerlich?

Sie ist auch zu selbstbezogen: Viele Eltern, und ich gehöre dazu, sind zum Beispiel abgenervt davon, wie wenig es in einer Stadt wie Bremen gelingt, Kultur- und Bildungspolitik miteinander zu verzahnen – und wie einseitig ihr Verhältnis bestimmt wird: Es wäre eine Aufgabe, die Kinder und Jugendlichen als KulturproduzentInnen ernst zu nehmen – und nicht nur mit ihnen irgendwelche Ausstellungen und Museen zu besuchen.  INTERVIEW: BES

Leviten- und Kaffeesatzlesen: Diskussion über die Zukunft der Kulturstadt Bremen, Marcks-Haus, 17 Uhr