: Unis zahlen für Gebühren
Niedersachsen verschiebt Studiengebühren für alle auf 2007, den Hochschulen werden neue Lasten aufgebürdet, Einheitsgebühr 500 Euro. Minister Lutz Stratmann sieht sich im Norden als Vorreiter
von Kai Schöneberg
„Offensichtlich bin ich intellektuell nicht in der Lage, die Sache so zu erklären, dass sie verstanden wird“, sagte ein genervter Wissenschaftsminister gestern im Landtag in Hannover. Trotz seiner zehn Semester Jurastudium und stundenlangem Nachhaken wollte sich die Opposition nicht mit Lutz Stratmanns Erklärungen zu Studiengebühren-Modell zufrieden geben.
Seit einem Jahr erzählt der CDU-Mann, ab dem Oktober 2006 gebe es in Niedersachsen Studiengebühren. Details hatte er selbst seiner CDU-Fraktion bislang nicht verraten. Gestern kam, auch für die Universitäten völlig überraschend, der Umfaller. Nun sollen ab dem Wintersemester 2006/07 nur die knapp 20.000 Erstsemester zahlen, alle 160.000 Studenten im Land sind erst ab dem Sommersemester 2007 dran.
Auch der „Gebührenkorridor“ von 300 bis 500 Euro ist vom Tisch: Nur eine Einheitsgebühr in Höhe von 500 Euro garantiere gleiche Lebensbedingungen, betonte Stratmann. Die Verschiebung sei wegen eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts nötig. Diejenigen, die bereits studieren, müssen danach über die Einführung von Gebühren ein Jahr vorher informiert sein. Da das Parlament das Gebühren-Gesetz voraussichtlich erst im Dezember beschließe, wolle man „keinerlei juristisches Risiko“ eingehen. Die anderen Nord-Länder „werden unser Modell kopieren, weil wir hier am weitesten sind“. Ach ja: Außerdem soll es bald höhere Gebühren für „Langzeitstudenten“ geben.
Von einem „Waterloo“ für Stratmann sprach die SPD-Hochschulexpertin Gabi Andretta. Durch die Verschiebung verlören die Hochschulen, denen die Gebühren zukommen sollen, etwa 65 Millionen Euro. Milde reagierten die Rektoren der Landeshochschulkonferenz (LHK). Die Einnahmen seien noch gar nicht eingeplant gewesen seien, sagte die LHK-Vizevorsitzende und Oldenburger FH-Präsidentin Anne Friedrichs. Die Hochschulen wollen es sich vor Abschluss des „Zukunftsvertrags“ am kommenden Dienstag nicht mit Stratmann verderben. Das Papier soll den Hochschulen für die kommenden fünf Jahre gleich bleibende Einnahmen auf dem Niveau des Jahres 2005 garantieren. Zusätzlich sollen ihnen ab 2007 etwa 130 Millionen Euro aus den Studiengebühren zufließen.
Das ist die Zahl, die Minister Stratmann gerne nennt. Nur: Sie stimmt nicht ganz. Einen „eklatanten Wortbruch“ sieht die Grüne Gabriele Heinen-Kljajic, da gestern auch klar wurde, dass allein die Unis dafür gerade stehen, wenn so genannte „Härtefälle“ von der Gebührenpflicht ausgenommen werden (siehe Kasten). Das nämlich reduziere nicht nur das Gebührenaufkommen um rund 15 Millionen Euro jährlich, so Heinen-Kljajic. Zugleich verhindere die Landesregierung damit auch „jede Zugangsgerechtigkeit. Jede auf die Einnahmen angewiesene Hochschule wird ein Interesse daran haben, möglichst wenig Härtefälle zuzulassen.“
Geschmälert werden die Einnahmen zudem durch den Ausgleichsfonds. Von den Gebühren sollen die Hochschulen nämlich sechs Prozent abzweigen und damit die Lücken für Studenten finanzieren, die den Kredit für die Studiengebühren nicht zurückzahlen können. Etwa 30 Prozent der Studenten könnten ein Darlehen zur Finanzierung der Studiengebühren beantragen.