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Archiv-Artikel

Innenstadt wird zur Spielwiese

Die Fußball-WM 2006 macht die Verwaltung kreativ. Ein Teil des Ku’damms könnte vier Wochen lang für Autos gesperrt werden. Händler fürchten nun, im Abseits zu stehen. Grüne: „Die sind dumm“

von PLUTONIA PLARRE

Die Innenstadt könnte zur autofreien Spielwiese werden, wenn im Juni die Fußball-Weltmeisterschaft stattfindet. Noch sind es nur die Grünen, die solche Träume realisieren wollen. Aber die Bezirksbürgermeisterin von Charlottenburg-Wilmersdorf Monika Thiemen (SPD) macht Anstalten, nachzuziehen. Auch der Bezirksbürgermeister von Mitte, Joachim Zeller (CDU), hält eine Entzerrung des Autoverkehrs in der City für „sinnvoll“. Schätzungen der Weltfußballorganisation Fifa zufolge werden während der vierwöchigen WM allein in Berlin 700.000 Gäste pro Tag erwartet. 70.000 bis 80.000 werden sich in der Innenstadt aufhalten. „All diese Menschen müssen beschäftigt werden“, sagt Zeller.

Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf erwägt, Ku’damm und Tauentzienstraße zwischen Joachimsthaler und Nürnberger Straße während der vier Wochen komplett für den Autoverkehr zu sperren. „Einfach so über den Ku’damm bummeln, ohne auf den Verkehr achten zu müssen, ist eine faszinierende Vorstellung“, schwärmt Bürgermeisterin Thiemen. Aber noch handele es sich nur um einen Plan. „Es ist noch nichts in trocknen Tüchern.“ Die Realisierung hängt auch von der Resonanz auf die öffentliche Ausschreibung des Bezirks ab, mit der Veranstalter für die vierwöchige Party gesucht werden. „Wir wollen keinen Abklatsch vom Ku’damm-Fest, bei dem die Straße mit Buden vollgestellt ist und man von einer Chinapfanne in die nächste stolpert“, sagt Thiemen. Sie wünscht sich ein Fest mit offenen Flächen und sportlichen, kulturellen und kulinarischen Events, das sich selbst tragen muss. „Vom Bezirk wird kein Geld fließen.“ Und es gibt noch eine Bedingung: BVG und Verkehrsverwaltung müssen einem Umleitungskonzept zustimmen.

Trotz all dieser Vorbehalte hat das Projekt beim Handelsverband Berlin-Brandenburg schon einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. „Wir sind strikt gegen eine Sperrung“, stellt der Vizegeschäftsführer Günter Pätz in Vertretung für das KaDeWE, Peek-&-Cloppenburg und die anderen Geschäfte am Ku’damm klar. Ein Zentrum zu sperren sei geschäftsschädigend. „So was schreckt die Kunden ab.“

Um so mehr Beifall kommt von Seiten der Grünen, allen voran vom Verkehrsexperten Michael Cramer. „Die Berliner Geschäftsleute sind einfach dumm“, nimmt der Berliner EU-Parlamentarier kein Blatt vor den Mund. Dagegen gebe es nur ein Mittel: „Reisen. Reisen bildet.“ Zum Beispiel nach Innsbruck, Wien und Kopenhagen. Dort könne man sehen, dass Fußgängerzonen eine überaus lukrative Angelegenheit sind. Auch zahlreiche italienische Städte würden im Sommer jeden Sonntag ihre City für Autos sperren, so gut gingen die Geschäfte. „Die Einrichtung von Fußgängerzonen in Berlin“, so Cramers Fazit, „ist ein überfälliger Schritt.“

Auch in Mitte werden zur Weltmeisterschaft Straßen gesperrt. Welche es trifft, hängt davon ab, wo die Hauptsponsoren der WM, wie Toshiba und Macintosh, ihre Großleinwände aufbauen und ihre Fanveranstaltungen abhalten werden. „Das entscheidet der Senat in Absprache mit der Fifa und den Bezirken“, so Bezirksbürgermeister Zeller. Wenn es nach ihm gehe, komme eigentlich nur die Straße des 17. Juni in Betracht.

Fest steht laut Zeller bislang nur eines: Adidas wird auf der Wiese vor dem Reichstag ein Olympiastadion mit 8.800 Plätzen aufbauen und rundherum Fußballfelder anlegen. Dafür muss sich der Sportartikelkonzern per Bankbürgschaft verpflichten, die 2,5 Millionen Euro teure Rasenanlage wieder in ihren Ursprungszustand zu versetzen.