Obdachlose reisen zum Papst, der Senat gibt teure Empfänge. Wie viel Feierei sollten wir uns leisten?
: Verschwendung auch für Arme

Foto: Lou Probsthayn

Fremd und befremdlich

KATRIN SEDDIG

Hamburger Obdachlose haben den Papst besucht. Der Hamburger Senat hat im vergangenen Jahr etwas über eine Million Euro für Empfänge ausgegeben. Die einen regt vielleicht Ersteres auf, andere dann Letzteres, und manche empört jedes Geldausgeben, weil es immer Leute gibt, die wissen besser als alle anderen, wie es ausgegeben werden sollte. Ach ja, die Hamburger Polizei wurde aufgerüstet, wegen der Terroristen, das hat auch gekostet, aber das finden die meisten ganz vernünftig, weil das ja notwendig wäre.

In Amerika wäre die Polizei schon lange so und noch viel besser ausgerüstet. Hab ich so in einem Kommentar gelesen, die Leute kennen sich aus und können sich, was Sicherheit angeht, immer sehr mit Amerika identifizieren.

Herr Trump wird, schätze ich, da auch noch mal ganz neue Standards setzen. Aber zum Thema Geldausgeben, das uns alle, auch im Privaten, beschäftigt: Die Weihnachtsmärkte sind aufgebaut. In Wandsbek, meinem Stadtteil, glüht der Wein schon länger. Dass der „Wandsbeker Winterzauber“ heißt, liegt übrigens nicht an den Muslimen, wie einige argwöhnen, die um die deutsche Christenkultur fürchten, sondern daran, dass der „Wandsbeker Winterzauber“ auch weit jenseits des Advents geöffnet ist und sein wird.

Die christliche Adventszeit erstreckt sich allerhöchstens über einen Zeitraum von 28 Tagen, da geht ja auch noch mehr. Jedenfalls geht diese Zeit der Erwartung immer mit Konsum und Schlemmen einher. Früher haben einige Leute von ihren Arbeitgebern zu diesem Zweck noch ein Weihnachtsgeld bekommen, heute müssen die meisten ein bisschen was ansparen, um sich die Verschwendung der Festtage leisten und die Bagage zum Festmahl einladen zu können.

Stellt eine solche Einladung eine Verschwendung dar? Könnten nicht alle besser zu Hause bleiben und sich die Reisekosten sowie die Kosten für ein Festmahl sparen? Und ist dies wirklich vergleichbar mit den Kosten, die der Hamburger Senat für seine Feierei im vergangenen Jahr verursacht hat? Muss der Senat so teuer bewirten? Ich kann das nicht einschätzen, aber mit dem Müssen wird es sich so ähnlich verhalten, wie mit der Einladung der Bagage.

Vielleicht müssen wir nicht, aber irgendwie doch. Es gehört zu unserem Leben. Verschwendung gehört mit zu unserem Leben. Möglicherweise ist das Einladen und Feiern sogar ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens. Möglicherweise ist das Einladen und Feiern ein wichtiger Bestandteil der Politik. Sicher, man könnte auch mal Obdachlose und Bedürftige einladen. Der Hamburger Senat lädt eher Betuchte ein, das liegt in der Natur der Sache, er lädt Politiker und andere nützliche Leute ein. Ich selbst war im vergangenen Jahr zum Jahresfest der Hamburger Vertretung beim Bund in Berlin eingeladen. Ich stecke also mittendrin, in der Verschwendung von Steuergeldern. Aber laden wir selbst Obdachlose zu unserem Weihnachtsfest ein?

Und was ist das mit den Obdachlosen, den Armen, den Bedürftigen, inwieweit sind wir selbst, also ich, für sie verantwortlich? Wenn wir zu unseren Feiern nur unseresgleichen einladen, können wir ein gleiches Verhalten bei Politikern kritisieren? Vielleicht. Ja. Doch. Vielleicht sind sie als Berufspolitiker verantwortlicher, weil sie für ihr Amt bezahlt werden, weil sie mehr Vorbild sein müssen als wir. Aber moralisch bleibt es doch das gleiche Dilemma. Siebzig Hamburger Obdachlose sind jetzt zum Papst gereist, finanziert wurde das durch Spenden. Ich glaube nicht an Gott, und der Papst ist mir höchst suspekt. Aber das finde ich doch eine schöne Sache.

Siebzig bedürftigen Menschen wurde eine Reise geschenkt, die sie glücklich gemacht hat. Das ist entscheidend. Ich möchte niemanden verurteilen, der gibt. Ich gebe selbst kaum, ich gebe zu wenig.

Katrin Seddig ist Schriftstellerin in Hamburg mit einem besonderen Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr jüngster Roman „Eine Nacht und alles“ ist bei Rowohlt Berlin erschienen.