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Archiv-Artikel

Gefordert, gefordert, gefordert

DOKUDRAMA Landesministerin, Treuhand-Präsidentin, Expo-Chefin und „die meistgehasste Frau in Ostdeutschland“: „Die Treuhänderin“ (23.25 Uhr, ARD) ergründet Birgit Breuel

Im Rückblick erscheint Birgit Breuel als Idealbesetzung für die Treuhand-Leitung. „Die Aufgabe musste erledigt werden“, sagt sie – als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, einem Himmelfahrtskommando beizutreten

VON DAVID DENK

„Männer stehen in der Öffentlichkeit lieber als Sieger da und verlieren in der Sache, bei Frau Breuel ist es umgekehrt“, sagt Norman van Scherpenberg über seine ehemalige Chefin. Unter Birgit Breuel war er Staatssekretär im niedersächsischen Finanzministerium. Vier Jahre leitete die CDU-Politikerin das Ressort, zuvor war sie acht Jahre lang Wirtschaftsministerin.

Bundesweite Bekanntheit erlangte Breuel allerdings erst, als sie nach dem RAF-Mord an Detlev Karsten Rohwedder Präsidentin der Treuhand wurde – und damit über Nacht zur „meistgehassten Frau in Ostdeutschland“, wie eine ältere Dame im Dokudrama „Die Treuhänderin“ von Regisseur Horst Königstein („Die Manns – Ein Jahrhundertroman“) in die Kamera krakeelt.

Erstaunliche Nüchternheit

Im Rückblick erscheint Birgit Breuel als absolute Idealbesetzung für die Treuhand-Leitung. Die Nüchternheit, mit der sie auf diesen arbeitsreichen, aber anerkennungsarmen Abschnitt ihres Lebens zurückblickt, ist erstaunlich. „Die Aufgabe musste erledigt werden“, sagt sie, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, einem Himmelfahrtskommando beizutreten. „Das ist eine herausragende, aber kaum bemerkte Eigenschaft von ihr“, sagt van Scherpenberg. „Sie tut, was sie für richtig hält, und nicht das, womit sie scheinbar gewinnen kann.“

Die talking heads, kombiniert mit zahlreichen TV-Ausschnitten, sind die große Stärke von Königsteins Dokudrama, da es ihnen gelingt, dem Zuschauer diese „ungewöhnliche Frau“ (Gerhard Schröder) tatsächlich nahe zu bringen. Das Verhältnis zum Vater Alwin Münchmeyer, einem angesehenen Hamburger Privatbankier (Breuel: „Er hat uns nie im Leben gelobt, immer nur gefordert, gefordert, gefordert, war aber sehr liebevoll dabei“), wird ebenso beleuchtet wie ihr Weg in die USA, weg vom Namen Münchmeyer, und dann als Ministerin in die niedersächsische Landespolitik. In den 70ern und 80ern wohlgemerkt, und zwar – darauf legt ihr Ehemann Ernst Breuel großen Wert – ohne je eine Frauenquote in Anspruch genommen zu haben. Es amüsiert nicht nur ihn selbst, wenn Norman van Scherpenberg erzählt, dass Breuel im niedersächsischen Finanzministerium einen Mann zu ihrem Frauenbeauftragten gemacht hat.

Blutleere Spielszenen

Die größte Schwäche von Königsteins Dokudrama hingegen sind die seltsam hölzernen und blutleeren Spielszenen mit viel zu jungen Schauspielern, deren Mehrwert sich nicht erschließt. Oftmals wiederholen sie nur, was bereits erzählt wurde – und verstärken durch diese Redundanz die Wirkung der Aussagen nicht etwa, sondern verwässern sie. Ihr einziger Zweck scheint zu sein, den Film auf 90 Minuten aufzublähen. Das ist umso unverständlicher, als mit Jan Bonny („Gegenüber“) eines der vielversprechendsten Nachwuchstalente des deutschen Films als Koautor des Grimme-Preisträgers Königstein fungiert.

Nach der Expo 2000, deren Generalkommissarin Breuel ebenso überraschend wurde wie zuvor Ministerin und Treuhand-Chefin, hat die heute 72-jährige Breuel sich beinahe komplett aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. „Die Versuchungen waren oft groß, dieses oder jenes mal zu machen“, sagt Breuel, die stark geblieben ist. Für ihren Ehemann Ernst, dem es bewundernswerterweise gelingt, offen und diskret zugleich über seine Frau und ihre kurz vor der Goldenen Hochzeit offenbar immer noch glückliche Ehe Auskunft zu geben, ist das ihre größte Leistung: „Dass sie es geschafft hat, sich selbst zu privatisieren, das finde ich unglaublich.“