: Nebelkanonen gegen Minipartikel
Das Herbstwetter bringt neue hohe Feinstaub-Konzentrationen – nicht nur im Straßenverkehr, sondern auch im Braunkohleabbau. Die Bezirksregierung Köln hat nun den ersten Aktionsplan für den größten deutschen Tagebau vorgelegt
von BEATE WILLMS
Der Tagebau Hambach im rheinischen Braunkohlerevier geizt nicht mit Superlativen: Mit einer genehmigten Abbaufläche von 85 Quadratkilometern ist er der größte deutsche Tagebau und mit knapp 300 Metern unter dem Meeresspiegel der tiefste weltweit. Zugleich ist er die größte Einzelquelle von Feinstaub in der Region – und auch der erste Tagebau, für den es einen Aktionsplan gegen die gesundheitsgefährdenden Minipartikel gibt. Den entsprechenden Maßnahmenkatalog hat die Bezirksregierung Köln jetzt vorgelegt. Die RWE-Tochter RWE Power, die den Tagebau betreibt, hat mit der Umsetzung begonnen.
Täglich holen sieben Schaufelradbagger bis zu einer Million Kubikmeter Erde und Braunkohle aus den Tiefen des Tagebaus. 1,2 Millionen Kubikmeter Abraum werden in der gleichen Zeit in bereits ausgekohlte Bereiche gekippt. Die gigantischen Erdbewegungen beeinträchtigen die Luftqualität. 48mal meldete die Messstelle in der nächstgelegenen Gemeinde Niederzier im vergangenen Jahr, dass der Grenzwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft überschritten sei. Seit Januar darf das nach einer EU-Richtlinie nur noch an höchstens 35 Tagen im Jahr passieren. Nach Angaben des Landesumweltamtes NRW war es im laufenden Jahr bislang zwar erst 18mal so weit. Erfahrungsgemäß führen aber die stabilen Hochdruckwetterlagen in Herbst und Winter zu den höchsten Konzentrationen von Minipartikeln.
Für den Aktionsplan haben Wissenschaftler der Bergischen Universität Wuppertal im Auftrag von RWE Power den gesamten Förderweg der Braunkohle vom Bagger bis zum Kohlebunker untersucht. Ergebnis: Hohe Feinstaubkonzentrationen gab es am Kohlebrecher, am Bandsammelpunkt, wo die Förderbänder wie auf einem Rangierbahnhof zusammen treffen, am Kohlebunker und entlang des gesamten Wegenetzes.
Helfen soll nun vor allem Wasser: Am Bandsammelpunkt wird eine Reinigungsanlage installiert, Lkw müssen künftig durch wassergefüllte Wannen in der Fahrbahn fahren, wenn sie den Tagebau verlassen, um den Dreck von den Reifen zu waschen. Viel Hoffnung setzen die Experten auch auf eine Feinstnebelkanone am Kohlebunker und entsprechende Düsen entlang der Förderwege. Die winzigen Tröpfchen sollen die Minipartikel besser binden als normales Wasser.
Eine „siebenstellige Summe“ muss RWE Power dafür ausgeben, schätzt Dirk Jansen, Geschäftsleiter des BUND Nordrhein-Westfalen– eine Zahl, die man im Unternehmen weder bestätigen noch kommentieren will. „Die Aufträge sind raus. Wir gehen davon aus, dass die ersten Maßnahmen in diesem Monat beginnen“, heißt es.
Wie viel sie dann tatsächlich nützen, weiß niemand. Tests mit Prototypen für die Bandreinigungsanlage und die Feinstnebelkanone sollen aber gezeigt haben, dass diese die Konzentration von Feinstaub um mehr als die Hälfte reduzieren können.
Nach Einschätzung von BUND-Mann Jansen ist das aber möglicherweise nicht genug, um „die Gesundheitsgefährdung der Anwohner zu stoppen“. Er kritisiert vor allem, dass die Suche nach Feinstaubquellen zu schnell auf den Förderweg eingeschränkt worden sei. Großgeräte wie Bagger und Absetzer seien ebenso wenig untersucht worden wie die offene Tagebaufläche. Dabei zeigten internationale Studien an anderen Tagebauen, dass sie „auf jeden Fall eine diffuse Quelle“ sei. Und auch die beschlossenen Maßnahmen gehen dem BUND-Mann nicht weit genug: „Der gesamte Kohleweg müsste umbaut und alle Lkw-Ladeflächen sollten mit Planen abgedeckt werden.“ Das lehnen Bezirksregierung und RWE Power aber als „dem Tagebaubetreiber nicht zumutbar“ ab.