: Der ewige Jungbrunnen für Parteichefs
Die Bekanntgabe des neuen Landeschefs hat die Linkspartei schlau gelegt: Das Abschneiden bei der Bundestagswahl gibt Rückenwind, die Berliner Abgeordnetenhauswahl ist noch fern. Doch mit der WASG stehen zähe Verhandlungen an
Geschickt war die Berliner Linkspartei immer, wenn es darum ging, dem überalterten Landesverband ein jugendliches Image zu verpassen. 29 Jahre alt war Petra Pau, als die heutige Bundestagsabgeordnete Ende 1992 den Posten der PDS-Landesvorsitzenden übernahm. Neun Jahre später übergab sie ihn an den damals 28-jährigen Stefan Liebich. Jetzt gibt Liebich, der auch Fraktionschef im Abgeordnetenhaus ist, den Job an den 31-jährigen Klaus Lederer ab.
Anfang Dezember werden die Delegierten des Landesparteitags Lederer aller Voraussicht nach küren. Einen Gegenkandidaten gibt es bislang nicht. Der gebürtige Schweriner lebt seit 1988 in Berlin, trat vier Jahre später der PDS bei und saß von 1995 bis 1999 in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Prenzlauer Berg. Vor knapp drei Jahren ist er für den jetzigen Wirtschaftssenator Harald Wolf ins Abgeordnetenhaus nachgerückt. Klaus Lederer ist rechtspolitischer Sprecher seiner Fraktion und hat bisher den stellvertretenden Fraktionsvorsitz inne.
Ein knappes Jahr vor der Abgeordnetenhauswahl stellt sich die Linkspartei-Spitze damit neu auf. Kurz nach dem exzellenten Abschneiden der Partei bei der Bundestagswahl muss schon sehr argwöhnisch sein, wer darin ein Signal der Schwäche sieht. Mit 16,4 Prozent schnitten die SozialistInnen satte fünf Prozent besser ab als noch im Jahr 2002. Das liegt zum einen am Rückenwind auf Bundesebene, der der in Linkspartei umbenannten PDS auch in Berlin Wählerstimmen sicherte.
Zum anderen arbeitet der rot-rote Senat so ruhig, wie es bei seinem Antritt vor vier Jahren kaum jemand erwartet hatte. Der künftige Landeschef Klaus Lederer wird mit diesem Bonus ins Amt starten, bald aber auch die unangenehmen Vereinigungsverhandlungen mit der hiesigen WASG mitverantworten müssen.
Nicht nur auf Bundesebene, auch in Berlin drängt die Linkspartei auf eine rasche Fusion mit der WASG. Doch ist bislang ungeklärt, unter welchen juristischen Vorzeichen dies stattfinden soll. Der Noch-Parteichef befürwortet eine „Verschmelzung“, so Liebich gestern. Beide Parteien sollen auf Parteitagen ein neues Statut verabschieden und letztlich gemeinsam die Rechtsnachfolge der PDS antreten.
Fragen über die Fusion
Auf dem Bundesparteitag der Linkspartei am 11. und 12. Dezember will der Berliner Landesverband den Antrag stellen, über das Ob und Wie der Fusion eine Urabstimmung einzuleiten, kündigte Liebich an. Nach der Abgeordnetenhauswahl 2006 will Liebich die rot-rote Koalition mit der SPD fortsetzen. Das treibt bis heute Teile der WASG in die Opposition gegen die aus ihrer Sicht neoliberale Linkspartei.
„Am Ende wird es genug politische Vernunft geben. Wir werden doch nicht hier in Berlin ein bundesweites Projekt torpedieren“, sagte Liebich zu den bekannten Differenzen. Laut einem Parteitagsbeschluss vom Juni will die WASG bisher in Konkurrenz zur Linkspartei zur Abgeordnetenhauswahl im September 2006 antreten. Liebich und Lederer zeigten sich überzeugt, dass die WASG-Bundesspitze so einem Treiben nicht zuschauen werde.
Noch-Landeschef Liebich wird nicht traurig sein, diese zähen Debatten nicht selbst ausfechten zu müssen. Er kennt das schon. Liebich war erst seit einem Tag Landesvorsitzender, als er vor bald vier Jahren Koalitionsverhandlungen mit der SPD aufnehmen musste. MATTHIAS LOHRE