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Archiv-Artikel

93.000 Kilometer Kabel für die Energiewende

NETZE Eine Prognose zeigt, dass sich die Kosten für die Stromtrassen hierzulande verdoppeln könnten

BERLIN taz | Die Metapher von den Stromautobahnen ist in den vergangenen Monaten zum geflügelten Wort geworden. Sie bezeichnen jene 2.700 Kilometer Neubauten an Höchstspannungsleitungen, die nach neuesten Zahlen in Deutschland nötig sind. Die Betreiber der Leitungen sprechen von 2 Milliarden Euro jährlich, die sie bis 2022 investieren müssen und von Stromkunden über die Netzentgelte wieder einsammeln. Nun zeigt sich: Zu den Stromautobahnen werden noch viele neue Stromlandstraßen und Stromgassen hinzukommen. Werden diese mit einberechnet, verdoppeln sich die Kosten.

Die Deutsche Energie-Agentur (Dena) präsentierte gestern in Berlin eine Prognose zum Ausbaubedarf dieses sogenannten Stromverteilnetzes, also kleinere Leitungen, die sich ins ganze Land verästeln. An diese Leitungen sind bis auf große Atom- oder Kohlemeiler die meisten Kraftwerke angeschlossen, besonders Windräder und Solaranlagen. Weil immer mehr davon errichtet werden, müssen diese Verteilnetze besonders im ländlichen Raum ausgebaut werden.

Die Dena kommt auf einen gigantischen Bedarf von 93.000 Kilometern neuer Leitungen im Verteilnetz bis 2020. Es führt bis in jeden Haushalt und jeden Berghof, während die Stromautobahnen die großen Energiemengen von Nord nach Süden transportieren.

Die Grünen argwöhnen trotzdem, dass die Dena übertreibt und der Energiewende Leitungen zuschreibt, die zur Instandhaltung ohnehin nötig seien. „Aufs Jahr betrachtet reden wir von 1,5 bis 2,3 Milliarden Euro an Investitionen, und das ist die Größenordnung, die auch früher in Verteilnetze investiert wurde“, sagt der Grünen-Energieexperte Oliver Krischer.

Alarmierend ist vor allem, dass die Dena bis 2020 über 6.000 Kilometer neue Hochspannungsleitungen für nötig hält. Sie sind mit Höhen von 35 bis 40 Meter häufig nur unwesentlich kleiner als die Masten für die Stromautobahnen. Damit Hochspannungsleitungen nicht ebenso viele Bürgerproteste auslösen, hatte der Bundestag 2011 die Erdverkabelung der Hochspannungstrassen zur Regel gemacht. Sie ist unkomplizierter als bei den Stromautobahnen, die Verbraucher müssen für die fast dreimal so hohen Kosten aufkommen. Der Vorrang für Erdkabel werde von den Netzbetreibern aber häufig infrage gestellt, heißt es in einem Antrag des Bundesrats vom November. Die Bundesländer wollen durch eine Gesetzesänderung klarstellen, dass Erdkabel auch tatsächlich verlegt werden. M. BERKEL