: Langsam lohnt sich
Seit 35 Jahren malt sie die Adenauer-Ära in Öl: In der Galerie Crone kann man die detailgenauen Erinnerungsbilder der Hamburger Malerin Almut Heise wiederentdecken
Das Projekt ist ziemlich mutig. Mit der in Hamburg lebenden Malerin Almut Heise hat sich Andreas Osarek, der die Galerie Crone leitet, als geduldiger und geschichtsbewusster Rechercheur entpuppt. Gut fünf Jahre Vorbereitungszeit hat er für die Ausstellung gebraucht, alles musste mit der 1944 in Celle geborenen Malerin genau abgesprochen werden. Schließlich ist Heise keine unbekannte, sondern lediglich eine im Hype des Kunstbetriebs in Vergessenheit geratene Künstlerin.
Nach dem Kunsthochschulstudium in Hamburg hatte sie Stipendien in London und Rom, später erhielt sie den renommierten Edwin-Scharff-Preis. Es gab Einzelausstellungen Mitte der Siebzigerjahre, in der Kunsthalle Baden-Baden, im Kunstverein Stuttgart und im Kunsthaus Hamburg. Dann stockte plötzlich die Karriere der damals 30-Jährigen: Die späten Siebziger waren nicht die Zeit, in der man „einfach nur malte“. Und so nahm Almut Heise ein Lehrangebot der Hochschule für Gestaltung in Hamburg an, verkaufte weiter über den Kunsthandel, blieb dadurch aber einer breiteren Öffentlichkeit weitgehend unbekannt.
Was damit beinahe verloren gegangen wäre, wird in der Ausstellung der Galerie Crone schnell klar: Almut Heise setzt einer zwanghaft an Verweisen und Zitaten interessierten neuen Realismusmalerei, die mehr auf Geste denn auf genaue Beobachtung, mehr auf Zeichenhaftigkeit denn auf Hingabe Wert legt und die jede Innerlichkeit scheut, eine wohltuende Langsamkeit entgegen. Eine Langsamkeit, die ganz der Logik der Bilder und nicht der des Kunstbetriebs folgt. Schon Anfang der Siebzigerjahre produzierte Heise nur etwa fünf Bilder im Jahr, was den Kölner Galeristen Rudolf Zwirner davon abhielt, sie groß herauszubringen. Heute erkennt man, dass diese Langsamkeit kein Manko, sondern ein Statement war.
Almut Heise malt Interieurs und Porträts, in eigenem Auftrag. Ihre Bilder vereinen den hausbackenen Charme der Adenauer-Zeit mit dem ungebrochenen Fortschrittsglauben der Fünfzigerjahre. So beschwört sie den Nachkriegsmythos vom befreiten Individuum bis in die ästhetischen Details hinein – mit all den Kandinskys, Feiningers und Mirós, die damals abstrakte Wohnzimmerikonen für das Bürgertum lieferten.
Bei Almut Heise haben modische Topfpflanzen, Tapetenmuster und Bodenvasen jener Zeit ihren Auftritt, ohne eine ironische Brechung. Anders als Sigmar Polke, der mit seinen Palmen-, Bambus- und Kranichbildern zum großen Stichwortgeber der deutschen Wiederaufbauepoche wurde, widmet sich Heise dieser Welt geduldig und mit malerischer Rafinesse. Bei ihr spürt man förmlich die Lust an der Stofflichkeit, an der Oberflächenbeschaffenheit und den Mustern jener Zeit, ihrer Kindheit. Nicht von ungefähr waren die Tapeten- und Kleidermuster damals eine Verbeugung vor den Arbeiten von Paul Klee bis Jackson Pollock, und nicht von ungefähr bildeten sie auch die erste Sehschule für viele Nachkriegskinder.
Die Bilder der späten Sechziger-und frühen Siebzigerjahre zeigen noch deutlich den Einfluss ihrer Lehrer Allen Jones und David Hockney. In den folgenden Jahren wird Almut Heise allerdings immer detailversessener. Es ist, als erfinde Heise mit jedem Bildgegenstand ihre Malerei neu. Das hat oft eine unglaubliche formale Strenge, als wolle sie mit aller Gewalt den malerischen Zufall bezwingen. Das sieht so aus, als habe sie in den Vorkriegskünstlern, in Max Beckmann, Otto Dix und Christian Schad, ihre Seelenverwandten gefunden.
Atmosphärisch dicht, wie durch den Schleier der Erinnerung, nähert sie sich noch heute dem hausgemachten Glamour der Fünfziger. So erscheint ihr zwischen 2000 und 2002 gemaltes Weihnachtsbild wie in einer Zeitblase gefangen. Das mag nach Nostalgie klingen, es ist aber auch das Bekenntnis, nur das zu malen, was man liebt. Und da Almut Heise mittlerweile über 60 Jahre alt ist, geht es dabei nicht mehr um die heiße Liebe zum schnellen Effekt, sondern um eine geduldige Liebe zu Interieur und Menschen.
CHRISTOPH BANNAT
Bis 19. 11., Di.Fr. 10–18, Sa. 11–18 Uhr, Galerie Crone, Kochstraße 60