Kehraus mit Weihnachtsmusik

PARLAMENT In der letzten Sitzung 2012 erklären sich Opposition und Regierung wechselseitig für unfähig

■ Klaus Wowereit (SPD) will keine Garantie für den angestrebten neuen Eröffnungstermin für den Flughafen BER am 27. Oktober 2013 abgeben. Es gebe noch „riesige Probleme“, sagte er in der Fragestunde des Parlaments.

■ Verkehrssenator Michael Müller (SPD) hat wegen erneuter Probleme bei der S-Bahn angekündigt, den Chef des Unternehmens einzubestellen. Die Lage sei schlechter als vor einem Jahr, derzeit würden nur 480 Viertelzüge fahren. Bei dem Gespräch soll es auch um eine weitere Entschädigungszahlung für die Fahrgäste gehen.

■ Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres (SPD) erwartet von ihrem Regierungskollegen Michael Büge (CDU), Staatssekretär für Soziales, dass er wie angekündigt aus der Burschenschaft Gothia austrete, wenn die nicht ihren umstrittenen Dachverband verlässt. (sta)

VON STEFAN ALBERTI

„O du fröhliche …“ Grüne, SPDler, Linke und CDUler stehen in der Eingangshalle des Abgeordnetenhauses um eine Blaskapelle und singen mit, mal mehr und mal weniger schräg. Ein paar Stunden später wird Parlamentspräsident Ralf Wieland (SPD) alle in die Weihnachtsferien entlassen und schöne Feiertage wünschen. Dazwischen aber liegt ein politischer Jahreskehraus, der weit weniger besinnlich daherkommt. Die Grünen sehen schweren Schaden an der Stadt, die Linke findet für die Bilanz der rot-schwarzen Koalition Worte wie „durchgeknallt“ und „besoffen“.

Es steht Aussage gegen Aussage, und letztlich ist alles eine Frage des Standpunkts. Die Koalition meint, sie habe die Stadt vorangebracht. Für die Opposition hingegen haben SPD und CDU in ihrem ersten Jahr nichts zustande gebracht, höchstens positive Wirtschaftseffekte und höhere Steuereinnahmen abgegriffen. Lediglich die Abschaffung des Straßenausbaubeitragsgesetzes gesteht ihnen Piraten-Fraktionschef Christopher Lauer zu – doch wenn er sich die Probleme der Stadt anschaue, sei dieses Thema nicht gerade eines der vordringlichsten. „Einfach nur Schrott“ sieht Udo Wolf, sein Kollege von der Linksfraktion. Und Ramona Pop von den Grünen meint, von Regieren könne man bei Rot-Schwarz wirklich nicht sprechen.

SPD und CDU kontern mit klassischer Vorneverteidigung. „Berlin hat eine bessere Opposition verdient“, entgegnet der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), der gar nicht bestreiten mag, dass nicht alles gut gelaufen sei. Die Probleme beim Flughafen, die Pannen bei den Themen NSU und Verfassungsschutz: „Das war nicht gerade ein Glanzstück.“ Aber insgesamt ist für ihn die Stadt natürlich vorangekommen. Den Haushalt saniert, Hortplätze auch für Fünft- und Sechstklässler angeboten, für mehr Kitaplätze gesorgt, mehr Lehrer eingestellt, die Schwimmbäder saniert, Tegel als Fokus künftigen Wirtschaftsaufschwungs definiert – vieles führen die Redner der Koalition an.

Ein interessanter Fall von Paradigmenwechsel taucht plötzlich in der Wortwahl Wowereits auf: „Nehmen Sie es endlich mal zur Kenntnis, die A 100 wird gebaut“, spricht er die Grünen an. Und setzt hinterher: „Und das ist auch gut so“ – die Formel, die jetzt dazu dienen muss, für den Beton zu werben, machte er vor elf Jahren noch bei seinem Outing berühmt.

„Nehmen Sie es zur Kenntnis: Die A 100 wird gebaut. Und das ist auch gut so“

KLAUS WOWEREIT (SPD)

Die Koalition rühmt sich für den wirtschaftlichen Aufschwung, die Linksfraktion sieht sie damit nur ernten, was sie in der rot-roten Vorgängerregierung in die Wege leitete. Rekommunalisierung und neue Energiepolitik, das geht Linken wie Grünen alles nicht weit genug. Der Linken-Abgeordnete Harald Wolf hat schon vor Tagen fehlende Konzept dazu kritisiert. Für SPD-Fraktionschef Raed Saleh ist das wie ein Querpass vor dem leeren Tor: „Sie haben zehn Jahre Zeit für Konzepte gehabt“, erinnert er an zwei Wahlperioden linker Regierungsbeteiligung.

Die Opposition überzeugt das nicht. Das Fazit von Piratenfraktionschef Lauer lautet: „Die Perspektive, dass Berlin vier weitere Jahre von Schwarz-Rot regiert wird, klingt eher wie eine Drohung. Frohe Weihnachten!“