: „Cicero“-Skandal im Bundestag
Innenminister Schily muss heute die umstrittene Durchsuchungsaktion bei der Zeitschrift „Cicero“ erklären. Grüne wollen sich für verbesserten Schutz der Presserechte einsetzen
FREIBURG taz ■ Der grüne Vorstoß ist gut getimt. Heute um 15.30 Uhr muss Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) im Innenausschuss des Bundestags erklären, wie er zur Pressefreiheit steht und insbesondere zu Hausdurchsuchungen bei Journalisten. Anlass ist die umstrittene Durchsuchungsaktion bei der Zeitschrift Cicero. Gestern bereits präsentierten die Grünen – als Fast-schon-Oppositionspartei – Vorschläge für eine journalistenfreundliche Reform der Strafprozessordnung.
Konkret fordern die Grünen einen verbesserten Schutz der Presse gegen die Beschlagnahme von Unterlagen. Informanten müssten darauf vertrauen können, dass Hinweise auf Skandale und Missstände bei der Presse vertraulich blieben, begründeten dies die Abgeordneten Silke Stokar, Grietje Bettin, Jerzy Montag und Christian Ströbele
Bisher heißt es in Paragraf 97 der Strafprozessordnung zwar, dass Unterlagen der Presse grundsätzlich von der Polizei nicht beschlagnahmt werden dürfen. Doch wie immer kommt es auf die Ausnahmen an. Zulässig ist das Konfiszieren zum Beispiel dann, wenn der Journalist „einer Teilnahme oder einer Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig ist“. Dem Cicero-Journalisten Bruno Schirra, dessen Fall die Diskussion ausgelöst hat, war von der Polizei eine Teilnahme an der „Verletzung von Dienstgeheimnissen“ vorgeworfen worden. Schirra hatte in einem Artikel über den Terroristen Abu Mussab al-Sarkawi aus einem vertraulichen Dokument des Bundeskriminalamts zur Finanzierung islamistischer Terroristen zitiert.
Wenn es nach den Grünen geht, soll künftig der einfache Tatverdacht für die Beschlagnahme von Presseunterlagen nicht mehr ausreichen, sondern der „dringende Tatverdacht“ einer kriminellen Handlung erforderlich sein. Falls die vermeintliche Straftat lediglich in der Weitergabe von Informationen an Journalisten besteht, soll die Mitnahme von Unterlagen generell unzulässig sein, wünschen die Grünen. Die Abgeordneten stützen sich darauf, dass es nach Angaben des Journalistenverbandes DJV von 1987 bis 2000 zwar zu mehr als 150 Durchsuchungen in Redaktionen oder Privaträumen von Journalisten kam, dass aber nie bekannt wurde, dass ein Journalist später auch wegen Beihilfe zur Verletzung von Dienstgeheimnissen verurteilt wurde. Offensichtlich seien die Durchsuchungen überflüssig gewesen.
Innenminister Otto Schily hatte die Cicero-Durchsuchung in einer Rede beim Bundesverband der Zeitungsverleger Ende September ausdrücklich gebilligt. Der Staat habe das Recht, die Diskretion in seinen Behörden durchzusetzen. Wenn der Staat gegen Geheimnisverrat vorgehe, habe das nichts mit totalitärem Verhalten zu tun. Die Pressefreiheit umfasse, so Schily, kein „Recht auf Beihilfe zum Geheimnisverrat“.
Wegen der heftigen Kritik an dieser Rede, auch in Schilys eigener Partei, setzte der Innenausschuss des Bundestags für heute Nachmittag eine Sondersitzung an, bei der die Abgeordneten noch einmal in der alten Besetzung zusammenkommen. Einziger Punkt auf der Tagesordnung: „Bericht des Bundesministers des Innern, Otto Schily, zur Durchsuchung der Redaktionsräume des Magazins Cicero in Potsdam“.
Der DJV-Vorsitzende Michael Konken forderte die Abgeordneten auf, dem Minister „harte Fragen“ zu stellen. Der DJV halte die von Schily verteidigte Maßnahme für illegal. Offenbar sei es der Polizei darum gegangen, „an das Archiv des Journalisten zu gelangen und sein komplettes Informanten-Netzwerk aufzuspüren“, kritisierte Konken. Dieses Vorgehen sei weder durch den richterlichen Durchsuchungsbefehl noch durch bestehende Gesetze gedeckt gewesen.
CHRISTIAN RATH
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