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Archiv-Artikel

Die Bremer Affenfrage

DEBATTE Unsere Berichterstattung über das Gerichtsurteil, wonach der Bremer Neurobiologe Andreas Kreiter weiter mit Makaken experimentieren darf, hat viele Leser-Reaktionen provoziert. Hier eine Auswahl

Das Bremer Oberlandesgericht hat bisher nur das Ergebnis seiner Rechtsauffassung mitgeteilt, nicht die Begründung und die Abwägung mit den Argumenten der juristischen Vertreter und der Gutachter des Bremer Senats. Vor Gericht war vor allem Thema, ob das Leiden der Primaten als „mäßig“ oder „schwerwiegend“ einzuschätzen ist.

Nach Auffassung des Tierarztes, der die Versuchstiere seit 14 Jahren kennt, leiden sie nicht schwerwiegend. Klar ist aber auch, dass Affen anpassungsfähig sind und sich mit einer gegebenen Situation arrangieren, zumal wenn sie kaum anderes kennen. Die Versuchstiere sind nicht „eingefangen“ worden, sondern stammen aus Zuchtstationen etwa in Göttingen.

Ein Argument der Tierschützer war auch, dass Makaken keine Tiere seien, die von Menschen gezüchtet, geschlachtet und gefressen werden oder als „Kuschel“- und Haustiere zur Befriedigung emotionaler Bedürfnisse benutzt werden. Nach ihrer Auffassung handelt es sich um menschenähnliche Wesen, bei denen menschenähnliche Kriterien anzuwenden sind.

Das Bremer Gericht hatte angesichts dieser schwierigen und keinesfalls einfach zu entscheidenden Debattenlage den Tierschutz im Verhältnis zum Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit abzuwägen. Mit gutem Grund steht die Freiheit der Wissenschaft im Grundgesetz. Die Argumente, mit denen das Oberlandesgericht der Wissenschaftsfreiheit in diesem konkreten Fall den Vorrang gegeben hat, wird man erst nach Vorliegen des schriftlichen Urteils diskutieren können.  KAWE

Ich bin empört und sprachlos über das Gerichtsurteil vom Bremer Oberverwaltungsgericht. Es gibt keinerlei nachgewiesenen Nutzen für diese grausame Art, mit den Affen Experimente zu machen. Dieses Urteil ist beschämend und basiert auf keinerlei ethischer Grundlage.MARIA SCHIKORR, Berlin

Die Tiere werden durch Durst zur „Kooperation“ gezwungen, müssen jeden Tag mit angeschraubtem Kopf stundenlang stumpfsinnige Aufgaben am Bildschirm erledigen. Dabei handelt es sich um reine zweckfreie Grundlagenforschung, die nicht auf klinische Anwendung abzielt. Anders ausgedrückt: Der Forscher quält Affen, um seine Neugier zu befriedigen. MANUELA SCHRAMM, Ostheim

Es ist nun mal Tatsache, dass die Affen nicht nur mäßig, sondern sehr leiden. Würde man das mit einem Menschen machen, dann würde jeder einsehen, dass das sehr grausam ist. Jeglicher Körperteil fängt an zu schmerzen beim Stillsitzen. Von der Metallplatte im Kopf ganz zu schweigen. Und Durst ist ja wohl ein furchtbares Gefühl und süßer Saft steigert den Durst noch. ASTRID BUBAT, Lemwerder

Wenn man sich nur ein wenig mit Tierversuchen auseinandersetzt, muss man man zwei Dinge feststellen: Tierversuche bedeuten eine grausame Qual, und Tierversuche nutzen niemandem etwas. Wer noch an „artgerechte Haltung“, „wissenschaftlichen Nutzen“ oder „medizinische Notwendigkeit“ glaubt, der ist einfach nicht informiert.REBECCA WEISS, Düsseldorf

Ganz nebenbei bemerkt ist es die Uni(leitung), die diese „Affenversuche“ unterstützt. Obwohl ein großer Teil der Studierenden und MitarbeiterInnen, auch und insbesondere am Fachbereich Biologie/Chemie, diese Ansicht nicht teilt! Auch im Biologiestudium gehören Sektionen eigens dafür getöteter Tiere immer noch zum Pflichtprogramm und es ist äußerst schwer und kostet unglaublich viel Kraft, diese zu umgehen und dem eigenen ethischen Empfinden treu zu bleiben.  LAURA SCHNEE, Bremen

Ich schlage eine einfache Versuchsanordnung vor: Den besagten Neurobiologe Andreas Kreiter drei Tage ohne Wasser in einen Käfig sperren und ihn danach fragen, ob es als eine „hohe“ oder als „geringfügige Belastung“ seiner Gesundheit zu gelten habe.ANONYMOUS, taz.de-User

Ich schlage eine andere Versuchsanordnung vor: Sie bekommen plötzlich heftige epileptische Anfälle oder bekommen gerade noch mit, dass sich Ihre Hirnleistung plötzlich rapide verschlechtert (Alzheimer, Demenz et cetera). Sie werden weinen und winseln, dass man Ihnen hilft, aber man kann es nicht, weil die notwendigen wissenschaftlichen Grundlagen noch nicht erforscht worden sind und auch nicht erforscht werden dürfen. Dann reden wir noch mal drüber, falls Sie dann noch in der Lage sind, zu reden.SIEHS_MAL_SO, taz.de-User

Klar, weil das Hirn schmerzunempfindlich ist, haben die Tiere auch keine Schmerzen zu haben. Eine einzementierte Metallplatte im Kopf ist sozusagen eine Wohltat. Was, wenn die aber zum Beispiel Migräne oder „nur“ ständige Kopfschmerzen oder Druck auslöst? Als ob sowas eine pure Wohltat wäre. Und: wenn im Gehirn etwas „stimuliert“ wird, dürfte das auch physische Auswirkungen haben. Auch das mit Sicherheit nicht ohne Nebenwirkungen und Empfindungen.  HUBER, taz.de-User

Ich studiere an der Uni Bremen Biologie, allerdings hauptsächlich mit Pflanzen und Pilzen. Kenne jedoch genug Neurobiologen, habe mit den Professoren aus dem Bereich nicht nur während des Studiums, sondern auch hochschulpolitisch zu tun. Mein Fazit: das sind alles verantwortungsbewusste Menschen, die trotz Forschung das Wohl der Tiere im Auge haben. Die Experimente sind keine Tierquälerei und ich würde behaupten, dass die Tiere es besser haben als in jedem Zoo. Die Implantation ist eine normale OP, welche für die Tiere keine Qual ist. Ein sofortiger Stopp hätte eine Tötung der Tiere zur Folge. Und wer legt eigentlich fest, welche Lebewesen schützenswerter sind, Affen schützenswerter als Ratten, Mäuse, Würmer, Fliegen? Konsequenz wäre, biologische Forschung im großen Maßstab abzuschaffen, das kann keiner ernsthaft wollen.

WENKE, taz.de-User