KOMMENTAR VON DOMINIC JOHNSON
: Scham ist auch keine Lösung

Lässt die UN den Bericht verschwinden, kapituliert sie endgültig vor ihren Aufgaben

Nirgends auf der Welt haben die Vereinten Nationen stärker versagt als im Afrika der Großen Seen. Als Armee und Hutu-Milizen 1994 hunderttausende Tutsi abschlachteten, blieb ihre Blauhelmmission in Ruanda auf Befehl aus New York untätig. Seit einigen Jahren steht die größte Blauhelmtruppe der Welt in der benachbarten Demokratischen Republik Kongo, aber sie schafft es nicht, den brutalen Milizenkrieg im Osten des Landes zu beenden – bei dem Täter des ruandischen Völkermords bis heute eine entscheidende Rolle spielen.

Jetzt dokumentieren die eigenen Sanktionsexperten dem UN-Sicherheitsrat schwarz auf weiß, dass trotz aller Embargobeschlüsse und aller militärischen Kampfmaßnahmen der Krieg der ruandischen Hutu-Milizen im Kongo aus den führenden UN-Mitgliedstaaten heraus selbst befördert wird. Die FDLR-Miliz exportiert Gold über Dubai nach Belgien und erwirbt Waffen aus Tansania und Osteuropa. Die Geldwäsche findet zum Teil in Deutschland statt, von wo aus auch per Telefon Anweisungen an die Kriegsfront erteilt worden sind. Frankreich beherbergt Milizenchefs, Spanien und Belgien finanzielle Unterstützernetzwerke.

Der Sicherheitsrat sollte die gesammelten Erkenntnisse jetzt öffentlich machen. Er könnte sie aber auch aus Scham in der Schublade verschwinden lassen. Für Letzteres spricht das Ausmaß des Problems. Kein maßgeblicher UN-Mitgliedstaat hat eine weiße Weste, keiner wird den ersten Stein werfen wollen. Aber ein Totschweigen wäre ein Akt der Kapitulation vor Afrikas Kriegen und ihrer ungehinderten Ausbreitung. Man kann nur hoffen, dass die unplanmäßige frühzeitige Veröffentlichung der wichtigsten Ergebnisse der UN-Untersuchung dazu beiträgt, das zu verhindern.

Dann könnte auch möglich werden, was für eine juristische Aufarbeitung des Kriegsgeschehens in der Region unabdingbar ist – sei es vor dem kriselnden UN-Ruanda-Tribunal in Tansania, vor dem noch in den Kinderschuhen steckenden Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag oder auch bei den noch zaghaft vortastenden Strafverfolgungsbehörden Deutschlands. Hier sitzt der FDLR-Führer Ignace Murwanashyaka in Haft. Ohne internationale Kooperation wird es nie gelingen, Kriegsverbrechen aufzuklären und zu verhindern. Was für ein Rückschritt, wenn die multinationale UN-Expertengruppe abgeblockt wird.