: Der Breuer hat’s genommen
URTEIL Ein Interview des früheren Deutsche-Bank-Chefs Rolf Breuer war mitschuld an der Kirch-Pleite, entschied ein Gericht. Das Bankhaus muss nun Schadensersatz zahlen
VON STEFFEN GRIMBERG
„Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen“, hatte Leo Kirch einst lakonisch im Spiegel-Interview gesagt, als ihm das Wasser schon bis zum Hals stand. Das war vor knapp elf Jahren, im Februar 2002, und gemeint war neben dem lieben Gott ein gewisser Rupert Murdoch, der damals als potenzieller Aufkäufer der Kirch-Gruppe gehandelt wurde. Doch schon ein paar Wochen später passte der Satz voll auf Rolf-E. Breuer.
Denn dass der Deutsche Bank-Vorstandschef in ebendiesem Februar 2002 mit seinem Satz „Was alles man darüber lesen und hören kann, ist ja, dass der Finanzsektor nicht bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder gar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen“ im Interview mit dem TV-Sender Bloomberg die Kirch-Pleite eigentlich erst losgetreten habe, davon war der Medienpatriarch zeit seines Lebens überzeugt.
Weshalb ihm jetzt auch auf seiner Wolke – Leo Kirch starb im Sommer 2011 mit 84 Jahren – das breite Kirch-Grinsen übers ganze Gesicht strahlen dürfte. Hienieden auf Erden grinst dagegen Peter Gauweiler (CSU), der als Anwalt erst Kirch und dann dessen Erben in den seit gut zehn Jahren anhängigen juristischen Raufhändeln mit der Deutschen Bank vertrat. Am Freitag verurteilte das Oberlandesgericht (OLG) München die Deutsche Bank, für Breuers Interview Schadensersatz zu zahlen. Dessen Bemerkungen zur Kreditwürdigkeit des Deutsche-Bank-Kunden Kirch seien „sittenwidrig“, das ganze Interview eine „öffentliche Bloßstellung“ gewesen.
Im April 2002 war nämlich Schluss: Kirch musste nach und nach für alle Teile seines Medienimperiums – die ProSiebenSat.1-TV-Gruppe, Filmhandel, Printbeteiligungen und den Pay-Sender Premiere – Insolvenz anmelden. Es war die bis dato größte Firmenpleite der deutschen Wirtschaftsgeschichte, von der auch die Deutsche Bank profitierte. Bei ihr war unter anderem Kirchs 40-Prozent-Anteil am Axel Springer Verlag als Sicherheit für Kredite hinterlegt. Die Deutschbanker hätten Kirch gezielt unter Druck gesetzt, „um auf diese Weise ins Geschäft zu kommen“, entschied das OLG. Die genaue Höhe des Schadensersatzes soll jetzt in einem Gutachten geklärt werden. Eine Revision gegen das Urteil ließ das OLG nicht zu, nach Agenturberichten wird die Deutsche Bank aber versuchen, dies per Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof zu kippen. Der Tanz wird also noch ein bisschen weitergehen.
Doch erst mal herrscht nicht nur auf Kirchs Wolke, sondern auch bei seinem alten Senderverbund, der ProSiebenSat.1-Gruppe, Hochstimmung. Denn vielleicht ergibt sich schon bald wieder eine Symbiose aus Kirch und ProSiebenSat.1. Die Münchener TV-Kette ist endlich die Senderbeteiligungen in Skandinavien los. Die waren der ProSiebenSat.1 AG von ihren Eigentümern, den Finanzinvestoren Permira und KKR, aufgezwungen worden. Jetzt spekuliert die Branche, AG-Chef Thomas Ebeling könnte den Milliardenerlös nutzen, um Permira und KKR aus dem TV-Konzern herauszukaufen und deren Anteile an die Börse zu bringen.
Je nachdem, wie hoch der Schadensersatz aus dem Kirch-Deutsche-Bank-Prozess nun ausfällt, könnten sich ja die Kirch-Erben an ProSiebenSat.1 beteiligen. Dem alten Leo auf seiner Wolke würde das bestimmt gefallen.