Dunkle Schatten über Erfurt

GELD Beim Kinderkanal trennen sich die Wege von Chef und Sender. Die Staatsanwaltschaft ermittelt

„Wir sind immer noch dabei, die Schatten der Vergangenheit Stück für Stück zu überwinden“, sagte Intendantin Karola Wille zu den Skandalen in ihrem MDR gestern in der taz. Sie hat recht.

Gestern Nachmittag trennten sich überraschend die Wege von Steffen Kottkamp und die des Kinderkanals. Kottkamp war beim Gemeinschaftsprogramm von ARD und ZDF, bei dem der MDR die Federführung hat, seit 2008 Senderchef. Vom Kika-Skandal, bei dem Marco K., damals Herstellungsleiter des Senders, über Jahre mindestens 8 Millionen aus dem Senderetat abgezwackt hat, will Kottkamp „total überrascht“ worden sein. So hatte er im Verfahren gegen den mittlerweile eine mehrjährige Haftstrafe absitzenden K. ausgesagt. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Erfurt in Sachen Kika auch gegen Kottkamp ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Der Vertrag des 44-jährigen Kottkamp mit dem Kika lief noch bis zum zweiten Halbjahr 2013.

K. hatte per Scheinrechnungen von mit ihm zusammenarbeitenden Produktionsfirmen beim Kika Rechnungen gestellt. Die vom für die Kika-Finanzen zuständigen MDR überwiesenen Beträge hatte er dann mit seinen Helfern geteilt. K. selbst will seinen Anteil komplett in Kasinos verspielt haben. Als die Sache im Herbst 2010 durch die Selbstanzeige eines TV-Produzenten aufflog, kassierte Kottkamp eine Abmahnung. Im Prozess gegen K. hatte Kottkamp 2011 erklärt: „Ich habe nichts von Scheinrechnungen gewusst.“ Außerdem seien ihm als Programmgeschäftsführer die Rechnungen „nicht vorgelegt worden, weil das nach dem damaligen Verständnis auch nicht notwendig war“. Kottkamp sagte auch, weder die „Spielleidenschaft noch eine Spielsucht“ des Herstellungsleiters K. seien ihm bekannt gewesen. Wie es möglich war, dem Sender pro Jahr durchschnittlich knapp 1 Million Euro zu entziehen, ohne dass dies bei dem eher kleinen Kika-Etat von 35 Millionen irgendwem auffiel, gehört bis heute zu den großen Rätseln des Skandals. Auch Kottkamp hatte vor Gericht eingeräumt, „dass das im Nachhinein etwas seltsam klingen mag“.

STEFFEN GRIMBERG