Clements rassistischer Abgang

Wolfgang Clement, noch Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, diffamiert Arbeitslose pauschal als Abzocker. Ein „Report“ seines Hauses ist offen rassistisch: „Das erinnert an den Jargon der Nazis“

VON ANDREAS WYPUTTA

Der Frust über den erzwungenen Abgang aus der Politik muss tief sitzen: Nordrhein-Westfalens ehemaliger SPD-Ministerpräsident Wolfgang Clement, derzeit als Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit noch geschäftsführend im Amt, mutiert nach Ansicht von Parteien und Wissenschaftlern in NRW zum Rassisten. Ein „Report“ seines Ministeriums, den Clement verantwortet und dem ein persönliches Vorwort des Ministers vorangestellt ist, nennt Arbeitslose „Parasiten“ und verdächtigt sie pauschal des Betrugs. Ohne Verweis auf empirische Grundlagen bedient Clements „Report“ mit dem Titel „Vorrang für die Anständigen“ ausländerfeindliche Stereotypen. Erwähnt wird etwa „Ibrahim“, ein „Sänger aus dem Libanon“, der „bei Hochzeiten“ auftrete und dennoch „auf Kosten des Sozialstaats“ lebe.

„Clement will offensichtlich von seiner eigenen Unfähigkeit ablenken“, sagt Thomas Münch, Professor an der Fachhochschule Düsseldorf: „Dieser Schmuddel-Report ist in einem Nazi-Duktus verfasst. Das ist der Jargon des Nazi-Hetzblatts ‚Stürmer‘“. Noch kurz vor seinem Abgang wolle Clement offensichtlich „regelmäßige Hausbesuche und Telefonanrufe zu allen Tageszeiten auch ohne konkreten Verdacht“ durchsetzen, so die Essener Sozialwissenschaftlerin Helga Spindler. Widerstand gegen Anordnungen der Arbeitsverwaltung werde zur „politischen Aufwiegelei“.

Arbeitssuchende als „Abzocker“: Das ist das Bild, das Clements Ministerium anhand vieler Fallbeispiele zeichnet. Dabei schätzen Sozialwissenschaftler den Anteil der Missbrauchsfälle bei Beziehern von Arbeitslosengeld auf gerade einmal zwei bis drei Prozent. Der „Report“ lobt hingegen einen „Ermittler“, der feststellt, dass in einer Wohngemeinschaft nicht nur „die Schmutzwäsche gemeinsam erledigt“, sondern auch noch „die Lebensmittel im Kühlschrank gemeinsam aufbewahrt“ werden. Für SPDler Clement ein klarer Fall von Sozialmissbrauch: Die Wohn- sei eine Lebensgemeinschaft, die dort Wohnenden gegenseitig unterhaltspflichtig.

Der Bundesminister müsse sich bei den Arbeitslosen entschuldigen und das Papier zurücknehmen, fordert auch Marianne Saarholz, NRW-Landeschefin des Sozialverbands Deutschland. Selbst die Arbeitsverwaltung geht auf Distanz: „Das ist eine Auflistung von Einzelfällen, die eher Vorurteile bedienen“, sagt Werner Marquis, Sprecher der Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit.

Massiv kritisiert wird Clement auch von Seiten der Politik. „Diese Broschüre ist ein Skandal. Die Verantwortung trägt der Minister“, sagt Nordrhein-Westfalens grüne Ex-Umweltministerin Bärbel Höhn – die Grünen fordern, Clements „Report“ müsse eingestampft werden. Selbst den Sozialdemokraten ist ihr einstiger Star peinlich: „Mehr als traurig“ sei das Pamphlet, findet Rainer Schmeltzer, SPD-Fraktionsvize im Düsseldorfer Landtag. „Der ganze Stil ist daneben.“