Der Frust linker Politiker in einem linken Bezirk

Das Bethanien ließe sich kostenneutral bewirtschaften, sagt ein gemeinnütziger Träger. Doch auf sein Angebot habe der Bezirk nicht reagiert. Dort blockieren sich Grüne, Linkspartei und SPD im Kampf um die linke Wählerklientel

„Da muss man doch nur mal laut ‚piep‘ sagen, dann ist die Hütte voll“, sagt Dieter Ruhnke, Geschäftsführer der gemeinnützigen Gesellschaft für Stadtentwicklung (GSE). Das Hauptgebäudes des Bethanien könne man ohne Probleme „kostenneutral“ für den Bezirk bewirtschaften. Damit widerspricht er dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, das das Gebäude wegen zu hoher Betriebskosten an einen privaten Investor verkaufen will.

Ende August hatte Ruhnke bei Wirtschaftsstadtrat Lorenz Postler (SPD) ein Angebot eingereicht. Er ist fest davon überzeugt, die 15.000 Quadratmeter des Hauptgebäudes für rund 4,60 Euro brutto-warm pro Quadratmeter vermieten zu können – inklusive „der Gelder für kleinere und größere Reparaturen sowie Rücklagen“.

Ruhnke weiß, wovon er spricht. Seit Jahren bewirtschaftet die GSE treuhänderisch für die Bezirke die Künstlerhäuser in Charlottenburg und Schöneberg, seit etwa einem Jahr auch das Freizeit-Forum Marzahn, von der Problemlage her mit dem Bethanien vergleichbar. Und auch das zum Bethanien-Komplex gehörende Georg-von-Rauch-Haus wird bereits von der GSE betrieben. Doch bis heute hat er keine Antwort vom Bezirksamt erhalten. Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer (PDS) behauptet, erst auf Nachfrage der taz von dem Angebot erfahren zu haben.

Auch Matthias Schindler, der mit seiner alternativen Wirtschaftsberatung „Berolina“ vor zwei Jahren ein Genossenschaftskonzept für das Bethanien entwickelt hat, hörte bis heute nichts Offizielles vom Bezirk.

Einige BezirkspolitikerInnen sind längst frustriert, dass ihre Lösungsansätze in den letzten Jahren immer wieder an den diversen Interessengruppen gescheitert sind. Zudem ist ihr Spielraum eingeschränkt, seit das Abgeordnetenhauses 2004 beschlossen hat, dass alle Immobilien der Bezirke entweder von Bezirkseinrichtungen benutzt oder in den nächsten Jahren verkauft werden müssen.

Hauptgrund für die Blockade aber dürfte sein, dass sich im traditionellen Protestbezirk drei fast gleichstarke Parteien um die linke Klientel mühen. SPD, Linkspartei und Grüne stehen sich gegenseitig auf den Füßen. So empfanden Teile der Linkspartei die Besetzung des Bethanien als „Inszenierung der Grünen“ im Bundestagswahlkampf, damit deren Direktkandidat Christian Ströbele „populistisch in einem besetzten Haus durchs Bild laufen konnte“. Und der hatte damit auch noch Erfolg. 53 Prozent der Kreuzberger Erststimmen für Ströbele sind ein deutliches Votum.

Der Szenewahlkampf geht ohne Pause weiter. Im Herbst 2006 wird die Bezirksverordnetenversammlung neu gewählt. Zumindest im Stadtteil Kreuzberg droht der PDS, zwischen den Grünen und ihren in der WASG organisierten Kritikern zerrieben zu werden. Die Grünen hoffen, ab 2006 als stärkste Partei im Gesamtbezirk wieder den Bürgermeister stellen zu können. Am durch den Ton-Steine-Scherben-Song seit 1971 verbreiteten Mythos des „besetzten Bethanien“ wird sich noch manche PolitikerInnen-Karriere entscheiden. CHRISTOPH VILLINGER