Die Stadt fällt in den Tiefschlaf

Entspannende Leere

Es begann dieses Mal schon am Wochenende. Erst war es kaum zu merken. Ein freier Parkplatz, eine Supermarktkasse ohne Schlange, man denkt sich nichts dabei. Täuschte es, oder liefen auf den Bürgersteigen weniger Männer, Frauen, Kinder als sonst? Auf der Kreuzberger Rodelpiste im Park war plötzlich viel freie Fläche für extravagante Kurven, niemand kam einem beim Hochlaufen in die Quere. Und selbst im engen Prenzlauer Berg gab es freie Parkplätze. Dann, nach einem letzten normalen Trubel am Vormittag des 24., kam das Leben auf der Straße ganz zum Erliegen.

Es ist eine seltsam-schöne Sache, Weihnachten in Berlin. Nicht nur die öffentlichen Verkehrsmittel drosseln ihren Takt. Der Puls der ganzen Stadt wird langsamer. Die Cafés und Restaurants stellen ihre Stühle hoch, wo sonst gesellige Treffpunkte sind, passiert erst einmal – nichts. Heruntergelassene Rollläden sehen aus wie geschlossene Augen. Es ist, als falle die Stadt ein Mal im Jahr in einen tiefen Schlaf.

Und gerade deshalb ist Weihnachten in Berlin so entspannend. Die allgemeine Abwesenheit von Menschen und Neuigkeiten – an wenigen Orten fällt sie so auf wie hier. Man kann in einer Art Dämmerzustand von heute auf morgen leben. Ohne genau zu wissen: Ist Dienstag? Oder vielleicht schon Mittwoch?

Natürlich gibt es auch Läden, die offen haben. Kioske, Spätis, auch manche Cafés. Aber man muss schon etwas suchen, wenn man sich über die Feiertage nicht mit sich selbst, den Freunden und den eigenen vier Wänden begnügen will.

Irgendwann dann krachen die ersten Silvester-Böller durch die Straßenschluchten. Und alle sind ganz schnell wieder hellwach.ANTJE LANG-LENDORFF