: Gesucht: Richter mit Ölheizung
Gerichtsverfahren um die Gaspreis-Erhöhungen stockt – weil sich die Richter gleich reihenweise für möglicherweise befangen erklären. Die swb AG bestreitet derweil ihr Preis-Monopol: Man könne auch mit Holz heizen. Bürgerinitiative plant Demo
Bremen taz ■ GaskundInnen, die über zu hohe Preise stöhnen, können nach Ansicht der Bremer swb AG auf Holz-Heizung umsteigen. Das teilten Anwälte des Energieversorgers jetzt dem Bremer Landgericht mit. Ziel der Argumentation: Die Monopolstellung der swb zu bestreiten.
Das Landgericht muss über die Klage entscheiden, die eine 54-köpfige „Streitgenossenschaft“ mit Unterstützung der Bremer Bürgerinitiative gegen Gaspreiserhöhung und der Verbraucherzentrale gegen die swb erhoben hat. Deren Preise seien deutlich zu hoch, vermuten sie, und verlangen die Offenlegung der Kalkulation.
Kläger wie Beklagte rechnen damit, dass der Prozess noch Jahre dauert und bis vor den Bundesgerichtshof geführt wird – wenn er denn einmal richtig in die Gänge kommt. „Zur Zeit wissen wir gar nicht, wer befugt ist, zu entscheiden“, schildert Landgerichtssprecher Helmut Kellermann die Lage. Der Vorsitzende Richter der Kammer hat per „Selbstanzeige“ erklärt, als Privatmann eigenhändig Widerspruch gegen die Preisforderung der swb eingelegt zu haben – wie inzwischen mehr als 10.000 Bremer GaskundInnen. Und die Anwälte der swb haben daraufhin einen Befangenheitsantrag gestellt.
Normalerweise wäre das kein größeres Problem: Die beiden verbleibenden Richter der Kammer müssen zusammen mit einem weiteren externen Richter über den Antrag entscheiden. Ob es in diesem Fall dazu kommt, ist allerdings fraglich. Denn diese Woche gab auch der bisherige zweite Vorsitzende Richter der Kammer eine Selbstanzeige ab. Er habe seinem Hausverwalter in einem Brief „dringend“ empfohlen, den Gaspreiserhöhungen der swb zu widersprechen. Die swb hat sich noch nicht geäußert, ob sie einen weiteren Befangenheitsantrag stellen wird.
Sollte es dazu kommen, drehte sich das Juristen-Karussell einen Platz weiter. Das Gericht müsste einen weiteren Richter ins Rennen schicken, um über die Befangenheit des zweiten Vorsitzenden zu entscheiden. Und eine der ersten Fragen an den Nachrücker wird lauten: Heizen Sie mit Gas, und wenn ja, zu welchem Preis?
„Wenn ein Richter Gaskunde ist und nicht Widerspruch eingelegt hat, können wir ja einen Befangenheitsantrag stellen“, scherzt der Rechtsanwalt der Kläger, Lovis Warmbach: „Es ist die Frage, ob sich in Bremen überhaupt noch ein Richter findet.“
Diese Befürchtung teilt Landgerichtssprecher Kellermann nicht. Von den gut 40 RichterInnen am Landgericht hätten mindestens zwei, darunter der Gerichtspräsident, bisher keinen Widerspruch eingelegt, ergo: „Es werden sich schon drei Richter finden.“ Ein erster Verhandlungstermin sei jedoch noch nicht absehbar.
Die Bürgerinitiative hat unterdessen die Bremer Politiker aufgefordert, auch als Kommune den Preiserhöhungen zu widersprechen. Nicht nur bei den Heizkosten der öffentlichen Gebäude, sondern auch bei denen der rund 52.000 Sozialgeld- und Arbeitslosengeld II-EmpfängerInnen ließen sich große Summen sparen. Am 16. November wollen sie auf dem Marktplatz demonstrieren – rechtzeitig vor den anstehenden Haushaltsberatungen in der Bremischen Bürgerschaft.
Armin Simon