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Archiv-Artikel

„Nach 14 Tagen in der Tüte ist jede Laus tot“

Manche Familien haben immer wieder Probleme mit Läusen, sagt Hygiene-Expertin Hänel. Denn wenn nicht alle bei der Bekämpfung mitziehen, greift der Pingpong-Effekt. Und in Kita-Kuschelecken finden sich noch ganz andere Tierchen

taz: Müssen Schul- oder Kita-Kinder regelmäßig ins Gesundheitsamt zur Läusekontrolle?

Martina Hänel: Nein. Die kommen in der Regel eher halbfreiwillig zu uns. Grundsatz ist das Infektionsschutzgesetz, Paragraf 34, wo drinsteht, dass Kinder, die verlaust sind, Gemeinschaftseinrichtungen nicht besuchen dürfen. Wenn ein Lehrer einen Verdacht auf Läusebefall hat, schickt er die Kinder nach Hause, und sie dürfen erst mit einer ärztlichen Freibescheinigung wieder kommen. Die Eltern sind dann in der Verpflichtung, was das Kind und Geschwister betrifft. Die Schule muss gucken, wie viele Kinder es noch erwischt hat, denn meistens sind es mehrere, die in einer Gruppe betroffen sind.

Wie viele von denen, die hierher zur Kontrolle kommen, haben Läuse?

Wir haben dreimal in der Woche eineinhalb Stunden Sprechzeit. Da waren beispielsweise im September im Schnitt jeweils sechs bis acht Bürger, von denen dann ungefähr ein Viertel tatsächlich Kopfläuse hatte. Das lässt aber nicht den Schluss zu, dass ein Viertel der Berliner Kopfläuse hat. Hierher kommen die Leute ja, wenn ein Verdacht auf Befall besteht. Viele Fälle kriegen wir aber gar nicht mit, weil sich die Leute selber behandeln oder zu den Kinderärzten gehen.

Haben Sie auch Dauerpatienten, die das Problem nie richtig in den Griff kriegen?

Es gibt Familien, die immer wieder kommen. Hintergrund ist meist die soziale Struktur. Läuse sind dann ein Teil der Schwierigkeiten in dieser Familie.

Können Sie genauer beschreiben, woran das liegt?

Es gibt Eltern, denen ist Hygiene nicht so wichtig. Wenn dann ein Kind mit Läusen nach Hause geschickt wird, ist die Frage, wann findet eine Behandlung statt, machen die Eltern sie gründlich, untersuchen sie sich gegenseitig, was ist mit den Geschwistern? Gemeinsame Kämme, Bürsten und Handtücher sorgen für Ansteckung, und wenn sich dann Eltern oder Geschwister aus der Behandlung ausklinken, gibt es einen ständigen Pingpong-Effekt.

Wie helfen Sie den Zuwandererfamilien, die möglicherweise Probleme mit den deutschsprachigen Gebrauchsanweisungen der Mittel haben?

Wir haben hier im Bezirk Sprachmittler, die setzen wir dann ein. Oft sprechen die Kinder besser Deutsch und dolmetschen. Wenn es nicht grade Erstklässler sind, können sie die Gebrauchsanweisung lesen und den Eltern erklären, wie es geht. Viele greifen auch gerne zu radikalen Mitteln, und die Jungen kommen dann mit kahlem Kopf oder extremem Kurzhaarschnitt in die Schule. Aber auch deutschsprachige Eltern haben Probleme mit der Anwendung der Mittel.

Was sind die Hauptfehler?

Wenn die Haare beispielsweise zu nass sind, ist die Wirkung des Mittels durch Verdünnung eingeschränkt. Deshalb funktioniert das dann manchmal nicht. Dann kommt meist die Klage, die Läuse seien resistent. Aber in Untersuchungen sind bisher keine resistenten Läuse gefunden worden.

Wie macht man es richtig?

Wichtig ist, dass die Haare nicht zu nass sind und bei der Dosierung die Haarlänge bedacht wird. Dazu kommt: Kamm und Bürste gründlich reinigen, Bettwäsche, im Winter Mützen, Jacken mit Kapuzen so warm waschen wie möglich. Stofftiere bei 60 Grad waschen oder einen Tag ins Tiefkühlfach legen, große in dicke Plastiktüten packen, nach 14 Tagen ist jede Laus darin garantiert tot.

Wird es das Läuseproblem irgendwann nicht mehr geben? Oder sind die Verkleidekisten und Kuschelecken ständige Ansteckungsherde?

Wir haben immer nach Ferien oder im Winter, wenn Mützen und Mäntel getragen werden, die dann an den Garderoben übereinander hängen, einen Anstieg im Befall. Die Verkleidekiste ist nicht das Problem: Läuse brauchen alle paar Stunden eine Blutmahlzeit, und wenn die Kiste über Nacht ruht, ist das nicht so schlimm. Aber oft sind die Sachen einfach so schmuddelig, dass man insgesamt sagen muss, dass die regelmäßig gewaschen werden müssen.

Was nicht passiert?

Nein, in den Kuschelecken finden wir bei Hygienekontrollen manchmal sehr alte Sachen, Möbel oder Matratzen, die eigentlich auf den Sperrmüll gehören. Da kommt es nicht zu Kopfläusen, die halten sich da nicht lange, aber es gibt anderes Ungeziefer, das sich darin aufhält, Wanzen oder andere Tiere. Da findet man interessante Mischungen. Wir Zweibeiner sind eben in der Minderheit in diesem Ökosystem. INTERVIEW: ALKE WIERTH