: Abschiebung skurril
Darf die Behörde einen Franzosen abschieben? Wenn er wie Boris Jocic straffällig wurde, schon, sagt sie
Ganz normales Rechtsprozedere oder ein Beispiel für Willkür der Berliner Ausländerbehörde? Darum geht es im Fall von Boris Jocic. Der Franzose wurde in Deutschland seit 1995 zu acht Bewährungs- und Haftstrafen verurteilt, unter anderem wegen versuchten Einbruchs und Hehlerei.
2003 folgte die Abschiebung nach Frankreich. Jocic reiste erneut nach Deutschland ein. Daraufhin verbüßte er eine bereits vor der Abschiebung verhängte und noch ausstehende sechsmonatige Haftstrafe wegen Diebstahls. Am 18. Oktober 2005 wurde er entlassen und sitzt seitdem in Abschiebehaft.
Abschiebung sei ein Instrument, um die Ausweisung von Ausländern außerhalb der EU zu vollziehen, und damit nicht rechtens im Fall Jocic, sagt Volker Gerloff, Rechtsanwalt beim Flüchtlingsrat Berlin. Gerloff stellte für seinen Mandanten einen Antrag auf sofortige Entlassung beim Landgericht. Jocic erkläre stets, freiwillig ausreisen zu wollen, die Ausländerbehörde halte jedoch an einer Abschiebung fest.
Der Hintergrund: Straffällig gewordene EU-Bürger können trotz Freizügigkeit aus Deutschland ausgewiesen werden. Doch, so heißt es in einer Formulierung des Europäischen Gerichtshofs, es müsse eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre.
Darauf berief sich die Ausländerbehörde bei der Abschiebung 2003. Nach einer Abschiebung dürfe keine erneute Aufenthaltsgenehmigung erteilt werden, so schreibt es Paragraf 8 des Ausländergesetzes vor. „Jocic ist illegal in Deutschland. Die Entscheidung ist ausführlich geprüft und basiert auf rechtlichen Grundlagen“, sagt Malte Krause, zuständig für Einwanderungs-, Grenz- und Asylfragen in der Innenverwaltung. Dem Antrag werde nicht statt gegeben. Für Jocic sei ein Flugticket für kommenden Montag nach Frankreich gebucht. ANNE MÄRTENS
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