: Premiere I: Im Schatten der Krise
Auf der Premierenfeier von Koltès „Quai West“ ging es neben dem Theaterstück um einen Protagonisten, der ebenfalls an den Rand gedrängt worden ist: Das Bremer Theater selbst
bremen taz ■ Nein, dies war keine normale Premiere am Schauspielhaus. Es war die erste, bei der die Mitglieder des Theaters wissentlich unbezahlt arbeiteten, noch ist unklar, ob ihre Oktober-Gehälter ausgezahlt werden.
Die Stimmung am Samstagabend ist vorsichtig-kämpferisch. Auf den Eintrittskarten steht „Wir spielen weiter“ und nach der Vorstellung versammeln sich alle an der Premiere Beteiligten auf der Bühne, um – wie auf allen anderen Bühnen des Theaters – einen Aufruf zu verlesen: Dass die Gehälter nicht ausgezahlt würden, bedeute, dass die Auseinandersetzung um die Theater-Finanzen – „die den Verantwortlichen in Senat und Aufsichtsrat seit Jahren bekannt und von ihnen mitzuverantworten“ seien – auf dem Rücken der Mitarbeiter ausgetragen werde. Sie bitten um Unterstützung, denn „nur wenn Sie dieses Theater für diese Stadt wollen, wollen es vielleicht auch irgendwann die Politiker – das Schicksal der 430 Mitarbeiter scheint denen jedenfalls egal zu sein“.
Das Publikum applaudiert und strömt ins Foyer, um sich in Unterschriftenlisten einzutragen. Um die Gehaltsausfälle zu überbrücken, hat man hausintern Patenschaften eingerichtet, um die am stärksten in die Bredouille geratenen Mitarbeiter zu unterstützen. Auch die Premierenrede von Chefdramaturg Joachim Klement steht im Zeichen der Finanzkrise. „Eigentlich wollten wir mit dem Koltès ein Stück über Menschen und Lebensentwürfe zeigen, die nicht der neuen Mitte angehören. Dabei haben wir eigentlich nicht gedacht, dass wir selber so schnell an den Rand kämen.“
Er betont die Mit-Verantwortung der Politik: „Damit ist auch der Senat gemeint, der ein unterfinanziertes Haus betreibt und ein Aufsichtsrat, der seit Jahren Wirtschaftspläne abwinkt, die dann plötzlich nicht in Ordnung sein sollen.“ Das Theater sei bereit, „das, was wir an den Finanzproblemen auf unsere Kappe nehmen, bis 2007 auszugleichen. Aber die Arbeitnehmer sollen nicht dafür bluten, dass die Eigenkapitaldecke ausgeweitet werden muss“.
Am Mittwoch werden sich der deutsche Bühnenverein und die Genossenschaft der deutschen Bühnenangehörigen bei ihren Verhandlungen auch mit der Lage in Bremen befassen. grä