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Archiv-Artikel

Integrationsbeirat ist integriert

Zum zweiten Mal werden heute Migrantenvertreter für den Integrationsbeirat des Senats gewählt. Mit der Verwaltung sind sie inzwischen zufrieden. Die Kritiker fordern deshalb noch mehr Mitsprache

VON ALKE WIERTH

Erst waren sie skeptisch, dann sehr zufrieden – die Bilanz der meisten der sechs Männer und Frauen ist positiv. Sie haben in den vergangenen zwei Jahren die Interessen der Berliner Migrantinnen und Migranten und ihrer Organisationen im Integrationsbeirat vertreten, der damals neu gegründet wurde.

Das bei der Sozialverwaltung angesiedelte Gremium, dessen Einführung in der Koalitionsvereinbarung beschlossen worden war, hat insgesamt 23 Mitglieder. Elf davon entsenden Senat und Bezirke, darunter mehrere Staatssekretäre und mit Cornelia Reinauer (PDS) aus Friedrichshain-Kreuzberg auch eine Bezirksbürgermeisterin. Die übrigen zwölf Sitze verteilen sich je zur Hälfte auf Nichtregierungsorganisationen wie den DGB oder den Flüchtlingsrat sowie auf Migrantenorganisationen, die jeweils bestimmte Herkunftsregionen repräsentieren. Ihre Neuwahl findet heute in der Werkstatt der Kulturen statt.

„Ich hatte befürchtet, dass der Beirat eine reine Alibifunktion haben würde“, sagt die aus Vietnam stammende Berlinerin und Beiratsfrau Thuy Nonnemann, „aber wir sind wirklich ernst genommen worden.“ Und ihr Kollege Walid Chachrour weist darauf hin, dass viele Empfehlungen und Forderungen des Integrationsbeirates tatsächlich im Integrationskonzept des Senats wiederzufinden sind, das im August verabschiedet wurde.

Besonders zufrieden stellend seien die Erfolge in der interkulturellen Öffnung der Verwaltung. Die auf Anregung des Integrationsbeirates eingeführten Treffen von Migrantenorganisationen mit Mitarbeitern der Ausländerbehörde hätten dort vieles zum Positiven verändert, sagt Hakan Tas. Er war bei einer der ersten Sitzungen des Integrationsbeirates 2003 als zusätzliches Mitglied ernannt worden, um die Interessen homosexueller MigrantInnen zu vertreten.

Trotz der positiven Bilanz stellen sich nur zwei der bisherigen Migrantenvertreter erneut zur Wahl. Berufliche Gründe hat das unter anderem bei der Erziehungswissenschaftlerin Havva Engin, die bisher als Vertreterin der MigrantInnen aus der Türkei im Rat war, nun aber Professorin in Karlsruhe ist. Thuy Nonnemann stellt sich ebenfalls nicht mehr zur Wahl, wird dem Beirat aber weiterhin als vom Flüchtlingsrat ernanntes Mitglied angehören. Einzig Maciej Berlin, der bisher Vertreter der polnischen Zuwanderer war, verzichtet aus inhaltlichen Gründen auf die Wiederwahl. Nach wie vor halte er die Idee des Integrationsbeirates für hervorragend, so Berlin, doch habe die Chance nicht genutzt werden können: persönliche Eitelkeiten und das Machtstreben Einzelner hätten verhindert, dass sich eine echte Zusammenarbeit über ethnische Grenzen hinweg entwickelt.

Die Zusammenarbeit im Integrationsbeirat habe über alle ethnischen Grenzen hinweg hervorragend geklappt, meint dagegen die Mehrzahl der bisherigen Mitglieder. „Wir haben uns nie als bloße Fürsprecher der Migranten unserer Herkunftsregion verstanden“, sagt Beiratsmitglied Hamid Nowzari vom Verein Iranischer Flüchtlinge. Die Zuordnung der Migrantenvertreter zu bestimmten Herkunftsregionen sei eine Notlösung gewesen, um eine möglichst breite Beteiligung zu erreichen. Bei der praktischen Arbeit habe sie aber nie eine Rolle gespielt. Dass dem bei der Neuwahl Rechnung getragen wird, indem die bisherigen regionalen Zuordnungen zugunsten eines freien Postens geändert wurden, damit ist auch Tatjana Forner zufrieden, deren Sitz als Vertreterin der Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion dieser Maßnahme zum Opfer fiel. Sie kandidiert nun für die Region „Europa außerhalb der EU“. Auch dass künftig zwei der sechs MigrantInnenvertreter aus der Türkei stammen könnten, sofern Hakan Tas gewählt werde, hält sie für unwichtig: „Tas ist hervorragend qualifiziert, und das ist entscheidend. Herkunft spielt überhaupt keine Rolle.“

Kritik am Integrationsbeirat kommt hingegen nach wie vor von den Grünen, die sich einen mit mehr Kompetenzen ausgestatteten Integrationsausschuss auf Parlamentsebene wünschen. „Der Einfluss des Integrationsbeirats ist viel zu gering“, kritisiert der Abgeordnete Özcan Mutlu. Zudem sei er durch die Verwaltung dominiert. „Ein reines Empfehlungsgremium kann nicht für mehr Partizipation sorgen.“ Dafür sei das kommunale Wahlrecht immer noch das beste Mittel.

Mehr Einfluss – das wünschen sich auch die bisherigen und künftigen Mitglieder des Beirates. „Schöne Worte hatten wir genug“, sagt Hamid Nowzari, und will genau deshalb erneut kandidieren: „Jetzt geht es um die Umsetzung unserer Vorschläge.“