Der Feuerberg brodelt weiter

Senat gibt zu: 12-jähriger Junge aus der Feuerbergstraße sollte auf Behördenanweisung von der Presse fotografiert werden. SPD spricht von „Perversion“. Post der Jungs wird entgegen den Behauptungen der Sozialsenatorin weiter gelesen

von Kaija Kutter
und Sven-Michael Veit

Er erwarte „klare und notwendige Antworten“, bekräftigte CDU-Parteichef Dirk Fischer gestern Nachmittag vor der Sitzung der CDU-Bürgerschaftsfraktion im Rathaus. Und zwar zum Geschlossenen Heim für straffällige Jugendliche in der Feuerbergstraße, das beherrschendes Thema in der gut zweistündigen und zum Teil ungewöhnlich lebhaften Debatte hinter verschlossenen Türen war. Die in die Kritik auch aus den eigenen Reihen geratene Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) sagte lieber gar nichts.

Mit einem professionellen Lächeln drängte sie sich wortlos an den wartenden Journalisten vorbei, ihr ebenfalls angeschlagener SPD-Staatsrat Klaus Meister huschte im letzten Moment möglichst unauffällig in den Saal. Das Ergebnis der Sitzung, an der auch der frisch aus dem Urlaub zurückgekehrte Bürgermeister Ole von Beust (CDU) teilnahm, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.

Denn die Fraktion hatte durchaus Grund, auf mehr Transparenz zu drängen, nachdem die Sozialbehörde gestern weitere Fehler eingeräumt hatte. Wie der Senat jetzt auf eine Anfrage der SPD hin einräumte, gab es am 7. August 2003 die „Empfehlung“ der Behörde an einen Securitas-Wachmann, einen der Jungen der Presse für Fotos zu präsentieren. Der 12-jährige A. sollte in ein Heim in Schleswig-Holstein gebracht werden. Während der Fahrt, so heißt es im internen Übergabeprotokoll, „kam noch ein Anruf aus der Pressestelle des Staatsrates: Warum wir den A. auf der Fahrt so verstecken würden?“

Verfolgt wurde das Auto von zwei Pressefahrzeugen; es sei versucht worden, den Jungen zu knipsen. Im Verlauf der weiteren Fahrt habe er über Handy „diverse Anrufe von Personen, die für die Behörde arbeiten“, bekommen – mit der „Bitte“, demnächst anzuhalten. Doch der Securitas-Mann fuhr durch, so dass die Zeitungen sich mit einem alten Kinderbild begnügen mussten. „Das ist an Perversion nicht mehr zu überbieten“, empört sich der SPD-Abgeordnete Thomas Böwer, der seine Anfrage auf Grund eines taz-Berichts stellte.

„Hier wird ein Kind an den Pranger gestellt, das, unabhängig davon, was es vorher ausgefressen hat, ein Recht auf Persönlichkeitsschutz hat“, findet Böwer. So stehe es in der UN-Kinderrechtskonvention, die auch Deutschland unterzeichnet hat. Nach Auskunft des Senats hatte die Anweisung nur das Ziel, „einen Unfall zu vermeiden“. Doch dafür wäre, so bemerkt Böwer, „ein Anruf bei der Autobahnpolizei passender gewesen“.

Als am 30. Juni der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) die Räume in der Feuerbergstraße besichtigte, war übrigens die Presse ausgeschlossen worden. CDU und Behörde hielten Journalisten für eine „zu starke Belastung für die Jugendlichen“, obwohl diese nicht mal anwesend waren.

Auf eine weitere Kleine Anfrage zur Postkontrolle in der Feuerbergstraße erhielt der SPD-Obmann im PUA überraschend die Antwort, dass persönliche Post von Freunden und Verwandten von Erziehern vorab gelesen wird, wenn der Absender „unbekannt ist“ oder dieser als „nachteiliger Kontakt“ bekannt ist. Auch ausgehende Post werde weiter gelesen, wenn zum Beispiel der „Verdacht besteht“, dass der Jugendliche „Verstöße gegen die Hausregeln“ vorbereitet.

Schnieber-Jastram hatte am vorigen Montag im Rathaus versichert, sie habe angewiesen, die Postkontrolle auf ein „erforderliches Maß“ zu begrenzen. Wörtlich sagte sie: „Also die Post auf unerlaubte Gegenstände zu überprüfen, nicht aber zu lesen.“

Zugleich geht sie nun in die Offensive: Gestern Nachmittag lud ihre Pressestelle zu einer Besichtigung des Heimes am Mittwochvormittag ein.