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Archiv-Artikel

Sparkonzept zum Verzweifeln

Sparexperten wollen den ausgeglichenen Landeshaushalt. Doch Regierungschef Jürgen Rüttgers bleibt skeptisch: Allein im öffentlichen Dienst müssten 34.000 Stellen wegfallen

AUS DÜSSELDORFANDREAS WYPUTTA

Mit massiven Sparmaßnahmen will Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers den Landeshaushalt sanieren. Voraussichtlich 2012 werde es keine Neuaufnahme von neuen Schulden geben, bekräftigte der Regierungschef gestern in Düsseldorf anlässlich der Vorstellung des Abschlussberichts der von Rüttgers eingesetzten „Kommission zu Situation und Perspektive des Landeshaushalts NRW“. Dem Gremium gehören ausschließlich ausgewählte Vertreter der nordrhein-westfälischen Wirtschaft wie Rolf Gerlach, Präsident des westfälisch-lippischen Sparkassen- und Giroverbands, oder Markus Miele, Chef des gleichnamigen Gütersloher Waschmaschinenherstellers, an (siehe Text unten).

Für die Kommission zeichnete Ulrich Hartmann, Aufsichtsratsvorsitzender von E.ON, ein düsteres Bild der Landesfinanzen. Ohne Gegenmaßnahmen drehe sich die „Spirale der Zinsausgaben“ immer schneller – während die Einnahmen nur „marginal“ um ein Prozent steigen könnten, dürften die Ausgaben um jährlich rund 2,7 Prozent wachsen. „Völlig inakzeptabel“ seien die immer größer werdenden Schulden, warnte Hartmann – bis 2010 könnte das Defizit sonst auf über zehn Milliarden Euro steigen. Damit drohe nicht nur der „quasi institutionalisierte Bruch der Landesverfassung“ durch Überschreitung der Defizitgrenze von 3,6 Prozent, sondern vielmehr eine „Erosion von Staatlichkeit, die in erster Linie die sozial Schwachen treffen“ werde.

Mindestens acht Milliarden Euro müssten deshalb eingespart werden, forderte Hartmann – zwei Milliarden bei den Sachausgaben, 2,5 Milliarden bei den Zuweisungen und Zuschüssen, etwa für Städte und Gemeinden, aber auch durch das Ende der Steinkohlesubventionen –und rund drei Milliarden bei den Personalkosten. Das entspricht einem Wegfall von rund 34.000 Stellen. Auf „konkrete Vorgaben“ hätten die Herren der Kommission aber „bewusst verzichtet“, so der E.ON-Aufsichtsratschef – man sei sei sich der Unterschiede zwischen Politik und Wirtschaft bewusst.

Entsprechend zurückhaltend reagierte Regierungschef Rüttgers. Er habe den Bericht „vor zwei Tagen zum ersten Mal in der Hand gehalten“, betonte der Ministerpräsident, der schon während Hartmanns Vortrag mal zweifelnd wirkte, mal nachdenklich-spöttisch gelächelt hatte. „Als Erstes habe ich gedacht: Mann, sind die mutig“. Er sei aber „vorsichtig“, ob die Vorschläge „eins zu eins umgesetzt“ werden könnten: „Das werden wir jetzt mit den lieben Kolleginnen und Kollegen im Kabinett diskutieren.“ Wichtig sei, dass zum ersten Mal eine „klare Zieldefinition“ vorliege, die über die Notsituation der jährlichen Haushaltsberatungen hinaus reiche, balancierte Rüttgers zwischen großer Ankündigung und klaren Aussagen.

Festlegen wollten sich Rüttgers und sein Finanzminister Helmut Linssen (CDU) nicht einmal in der Frage des Personalabbaus. Linssen betonte zwar, die massive Stellenreduzierung von 34.000 Jobs sei bis 2010 im Rahmen der „natürlichen Fluktuation“ umzusetzen. Rüttgers kündigte dagegen an, er halte an seinem Ziel fest, weitere 3.000 Lehrer einzustellen. Ob der von Linssen befürwortete Personalabbau denn umzusetzen sei, ließ der Ministerpräsident aber bewusst offen: „Ich kann dies zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantworten. Dies ist eine globale Frage.“ E.on-Aufsichtsratschef Hartmann hatte dagegen immer wieder unterstrichen, dass der Finanzminister zur Umsetzung des äußerst ehrgeizigen Plans auf die „volle Unterstützung“ des Regierungschefs angewiesen sei.

Auch er könne nicht in die Zukunft schauen, hielt Rüttgers dagegen. „Es gibt Ereignisse, wo man sich anpassen muss.“ So sei die Linie des designierten SPD-Bundesfinanzministers noch unklar: „Mal sehen, was der Kollege Steinbrück macht“, wich Rüttgers aus – und verwechselte Altschulden mit Neuverschuldung: „Ziel bleibt ein ausgeglichener, schuldenfreier Haushalt bis 2012 – ach nein, nur ein ausgeglichener Haushalt.“